FRANKENBERG. Die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Kreiskrankenhaus hat personelle Verstärkung erhalten. Mit dem Facharzt für Allgemeinchirurgie und Gefäßchirurgie Jan Schumacher, der als leitender Oberarzt das Team von Chefarzt Dr. med. Arkadiy Radzikhovskiy ergänzt, konnte auch das Behandlungsspektrum um die Grundversorgung von Patienten mit Gefäßerkrankungen erweitert werden. Wir haben mit Herrn Schumacher ein Interview geführt.
Herr Schumacher, was sind die häufigsten Gefäßerkrankungen?
„Gefäßerkrankungen sind weit verbreitet und betreffen viele, insbesondere ältere Menschen. Sie sind zunächst in venöse und arterielle Erkrankungen zu unterteilen. Auf der venösen Seite sehen wir am häufigsten die chronisch venöse Insuffizienz – umgangssprachlich als Krampfadern oder Varizen bezeichnet – und auf der arteriellen Seite die sogenannte periphere arterielle Verschlusskrankheit, auch Schaufensterkrankheit genannt.“
Welche dieser Erkrankungen müssen chirurgisch behandelt werden und warum? Wann ist eine OP angezeigt?
„Die meisten dieser Erkrankungen können bis zu einem gewissen Grad mit konservativen Maßnahmen, wie zum Beispiel medikamentös oder physiotherapeutisch, behandelt werden. In manchen Fällen ist jedoch eine Operation dringend angeraten. Die Entscheidung zur minimalinvasiven oder offenen Versorgung dieser Erkrankungen ist primär abhängig vom Stadium der Erkrankung. Dies jedoch nur darauf zu beschränken, wäre zu kurz gegriffen, da zu jeder Erkrankung auch ein Patient gehört. Die Entscheidung wird somit individuell für und mit den Patienten getroffen.“
Wann und wie kommen die Patienten zu Ihnen ins Krankenhaus?
„Die Diagnose der Erkrankung und die Empfehlung zu einer chirurgischen Behandlung erfolgen vollständig bei den niedergelassenen Ärzten und nicht bei uns im Krankenhaus. In der Regel werden die Patienten vom Hausarzt oder von einem in der Gefäßdiagnostik versierten Chirurgen nach vollständiger Diagnostik zur Operation eingewiesen.“
„In einigen Fällen wird auch hier im Krankenhaus bei anderen Untersuchungen ein Zufallsbefund erhoben, wie zum Beispiel ein Aortenaneurysma (Erweiterung der Hauptschlagader). Die Kollegen kommen dann gerne auf mich zu, um mein Konsil zu erbitten. Wir schauen uns den Fall dann gemeinsam an, und je nach Ausprägung und Lage des Aneurysmas erfolgt eine Empfehlung an den Patienten für das weitere Vorgehen.“
„Für den Laien unerwartet gibt es auch öfter einen Zusammenhang zwischen Gefäßerkrankungen der Beine und Rückenschmerzen. Mit den Kollegen der Wirbelsäulenchirurgie unter Leitung von Chefarzt Anas Kalhout arbeiten wir eng zusammen, wenn in der neurochirurgischen Sprechstunde bei einem Patienten der Verdacht aufkommt, dass Durchblutungsstörungen der Kern des Problems sein könnten.“
Welche Behandlungen von Gefäßerkrankungen führen Sie und das Team der Chirurgie im Kreiskrankenhaus durch?
„An unserer Klinik werden sowohl minimalinvasive Katheterverfahren als auch offene Operationen angeboten. Teilweise werden auch beide Verfahren innerhalb eines Eingriffs als sogenannte Hybrid-OP genutzt. Bei Komplikationen eines Krampfaderleidens werden Varizenstripping und Faszienspaltungen angewendet.“
„Liegen Verschlüsse oder Verengungen von Blutgefäßen vor, können wir diese Engstellen aufdehnen, die Erweiterungsstellen mit einem Stent stabilisieren oder Erweiterungsplastiken mit biologischem Ersatzmaterial durchführen. Dies geschieht, wann immer möglich, mit minimalinvasiven Katheterverfahren. Sind langstreckige Gefäßverschlüsse diagnostiziert, empfiehlt sich eine Bypassimplantation zur Umgehung des Verschlusses.“
„Außerdem können wir akute Schlaganfall-Patienten, bei denen die Ursache in einer Verengung der Halsschlagader verortet ist, nunmehr hier vor Ort direkt operativ behandeln. Die interkollegiale Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Marouf als in der Diagnostik und Schlaganfallbehandlung versierten Kollegen ist dabei die Voraussetzung. Nach erfolgter operativer Behandlung können die regelmäßigen Nachsorgetermine mit Ultraschallkontrolle auf Wunsch des Patienten in der neurologischen Sprechstunde von Dr. med. Wael Marouf im MVZ stattfinden. Im besten Fall lassen sich Schlaganfälle aber auch frühzeitig durch lebensstilverändernde Maßnahmen wie z. B. Nikotinkarenz, Gewichtsreduktion oder die konsequente Behandlung eines Bluthochdrucks mit Unterstützung einer entsprechenden medikamentösen Therapie verhindern.“
„Ein weiterer Schwerpunkt unserer Aufgaben ist die Implantation von dauerhaften Gefäßzugängen wie Kathetern für die Dialyse oder Ports für die Chemotherapie. Für Dialysepatienten werden gelegentlich auch Dialyseshunts (Kurzschlussverbindungen zwischen Arterie und Vene) angelegt.“
„Bei all diesen Eingriffen steht uns ein neuer, hochmoderner C-Bogen zur Verfügung. Dieses Röntgengerät für den OP arbeitet mit minimaler Strahlenexposition für den Patienten und macht nach Kontrastmittelgabe die Gefäße und die Engstellen über einen Bildschirm gut erkennbar. Wir können die Führung der Instrumente und unseren Arbeitsfortschritt visuell kontrollieren.“
Können diese Operationen auch ambulant durchgeführt werden?
„Ein Großteil der Eingriffe wie Krampfaderoperationen an einem Bein oder die letztgenannten Implantationen von Kathetern und Portsystemen können ambulant erfolgen. Organisatorisch nutzen wir hier unser Ambulantes Operations-Zentrum, welches die Patienten von der Terminplanung über den Operationstag bis zur Entlassung am gleichen Tag betreut und damit eine Rundum-Versorgung bietet.“
„Für die kathetergestützten Eingriffe bei Verengungen – kurz PTA (Perkutane transluminale Angioplastie) genannt – muss jeweils eine individuelle Entscheidung getroffen werden, die Vorerkrankungen und den Allgemeinzustand des jeweiligen Patienten miteinschließt.“
Herr Schumacher, wir bedanken uns für die Einblicke in Ihre Arbeit, die eine Bereicherung für die Patientenversorgung in Frankenberg und Umgebung darstellt.
Infoveranstaltung:
Am 03.07.2025 ab 18 Uhr findet im Kreiskrankenhaus eine
Infoveranstaltung statt zum Thema „Schmerzen: Ursachen erkennen –
gezielt behandeln“. Jan Schumacher wird hier über Gefäßerkrankungen
und Behandlungsmöglichkeiten sprechen. Weitere Referenten sind Anas
Kalhout (Wirbelsäulenchirurgie), Dr. Wael Marouf (Neurologie), sowie Dr.
Markus Schier (Schmerztherapie). Das Programm finden Sie auf der
Webseite des Kreiskrankenhauses unter Veranstaltungen.