Fuselalkohol durch Darm-Erkrankung: Verteidigung scheitert an Gutachten

Mittwoch, 07. Februar 2018 18:41 geschrieben von  Jörg Paulus (HNA)

FRANKENBERG. 2,3 Promille nach zwei Bier? Verteidigung erklärt Alkoholfahrt mit Darm-Erkrankung und scheitert vor Gericht.

Für den Gerichtsmediziner war die Sache klar: "So eine Erkrankung gibt es nicht. So etwas ist nirgendwo in der Literatur beschrieben." Prof. Dr. Manfred Riße, leitender Oberarzt am Institut für Rechtsmedizin des Uniklinikums Gießen, machte damit alles zunichte, worauf die Verteidigung ihren Einspruch aufgebaut hatte.

Der Unfall

Mit einer Erkrankung des Magen-Darm-Traktes wollte Verteidiger Ingo Schneider aus Korbach erklären, warum seine Mandantin bei ihrem Autounfall am 15. April 2017 einen Alkoholgehalt von 2,32 Promille im Blut hatte. Durch einen Darmpilz würden Kohlenhydrate, etwa aus Brot und Nudeln, im Körper zu Fuselalkohol verstoffwechselt, sagte Schneider. Die Angeklagte, eine 30-Jährige aus dem Frankenberger Land, war damals gegen 23.15 Uhr mit ihrem Auto zwischen Frankenberg und Schreufa von der Straße abgekommen. Normalerweise landet solch ein Alleinunfall nicht vor Gericht. Doch die Frau legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Der lautete damals: Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Euro (900 Euro) plus ein Jahr Führerscheinentzug.

Der Experte

Verteidiger Schneider sprach selbst von "böhmischen Dörfern", als er gestern im Amtsgericht den Erklärungsversuch vortrug. Es gebe Bluttests der Hausärztin, es sei aber schwierig, einen Arzt zu finden, der sich damit auskenne. "Meine Mandantin trinkt nicht mehr und nicht häufiger Alkohol als der Normalbürger. An dem Abend waren es nur zwei Bier. Trotzdem hatte sie diesen enormen Promillewert. Das passt nicht", sagte der Anwalt. Deshalb wünsche er sich eine weitere Analyse, um Klarheit über die Erkrankung der Angeklagten zu bekommen. Richterin Petra Kaschel hatte genau deshalb Prof. Dr. Manfred Riße als Sachverständigen eingeladen. Sein Fazit: Durch körperliche Besonderheiten wie eine Erkrankung könne die Alkoholkonzentration im Blut höchstens bei der zweiten Nachkommastelle steigen  "aber nicht mehr", sagte Riße. "Jeder Mensch hat maximal 0,015 Promille Alkohol im Blut. 2,32 Promille ist eine ganz andere Hausnummer. Eine weitere Analyse ist aus meiner Sicht nicht notwendig." Würde es eine Erkrankung geben, die einen Promillewert derart erhöhen könne, "wären unsere Krankenhäuser voll von Betrunkenen", sagte derMediziner. Laut Rißes Rechnung habe die Frau an dem Abend 4,25 Flaschen Bier à 0,5Liter getrunken. Rechne man das Ergebnis der Blutprobe zurück, sagte Richterin Kaschel, habe die Frau zum Unfallzeitpunkt mindestens 2,47 bis maximal 2,84 Promille gehabt.

Das Urteil

Den Argumenten des Experten konnte auch der Verteidiger nichts mehr entgegnen. Er bat um eine Sitzungspause, um sich mit der Angeklagten zu beraten. Danach räumte er die festgestellten 2,3 Promille und die Alkoholfahrt ein ("Der Sachverhalt ist relativ eindeutig") und beschränkte den Einspruch auf das Strafmaß. Und das erhöht sich nun im Vergleich zum ersten Strafbefehl: Die Angeklagte muss entsprechend ihrem Nettoeinkommen, das damals nicht bekannt war, sondern geschätzt wurde, 35 Tagessätze à 50 Euro zahlen (1750 Euro). "Das ist für den Promillegehalt angemessen und noch im unteren Rahmen", sagte Richterin Kaschel. Zudem verlängert sich der Führerscheinentzug bis Mai, da eine Sperrfristvon drei Monaten gilt, sobald das Urteil in Kraft tritt. Wann das ist,hängt auch von der Angeklagten und ihrem Anwalt ab, die sich noch nicht entschieden, ob sie das Urteil annehmen. Um wieder Auto fahren zu dürfen, muss die 30-Jährige eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) machen."Sie haben sich als ungeeignet erwiesen, ein Fahrzeug zu führen. Es war nur Zufall, dass bei dem Unfall nicht mehr passiert ist", sagte die Richterin. (Quelle HNA/Jörg Paulus)


112-magazin.de berichtete am 17. April 2017 über den Unfall. 

Link: Gegen Baum: Frau schwer verletzt - Verdacht auf Alkohol

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Zuletzt bearbeitet am Donnerstag, 08. Februar 2018 09:51

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