Mein erster Bock

Donnerstag, 11. Oktober 2012 18:28 geschrieben von  Migration

RHEINBACH. Manchmal muss man nicht weit fahren um wunderschöne Landschaftszüge zu bewundern.
Die Eifel, das Siebengebirge, der Westerwald oder die Zülpicher Börde sind alles lohnenswerte Ausflugsziele, die von Rheinbach aus bequem zu erreichen sind.
Manchmal hat man aber das Bedürfnis etwas anderes kennen zu lernen, andere Menschen, andere Landschaften, andere Städte. Dafür muss man allerdings nicht in ein anderes Land reisen, denn Deutschland unterscheidet sich in allen vier Himmelsrichtungen in Kultur und Landschaft.
Das Ziel unserer Reise war der Teil Deutschlands, der zuerst einen neuen Tag begrüßen darf.
Wir fuhren in den Osten von Deutschland, genauer gesagt nach Südbrandenburg in die Oberlausitz.

 

Der Hegering Rheinbach hatte im Jahre 2005 das erste Mal Kontakt zu dem dortigen Forstamt in Prösa Kontakt aufgenommen und die herzliche Art der Menschen, die großen, nicht von alltäglicher Besucherflut heimgesuchten Wälder und die hohe Wilddichte  waren Grund genug wiederzukommen.
Nach knapp fünfstündiger Fahrt durch Hessen, Thüringen und Sachsen und 650 zurückgelegten Kilometern kamen wir geschafft aber glücklich in dem kleinen Örtchen Zaischa an.


Wir, dass waren 12 Jäger aus dem Hegering Rheinbach, darunter einige Jungjäger, die ihren ersten Rehbock in Brandenburg strecken wollten.
Ich gehörte auch zu diesen Jungjägern. Ich hatte 2005 in der Kreisjägerschaft Bonn/Rhein-Sieg meinen Jagdschein gemacht.Mein erstes Stück Wild war ein Fuchs, im Herbst kamen einige Tauben und Enten hinzu und mein bis dahin größtes Jagderlebnis war die Erlegung eines Rehkitzes.
Nun wollte ich meinen ersten Bock schießen. Die Hegemonate März und April waren vorbei, die Natur zeigte zaghaft ihr erstes Grün und der Tag auf den alle Jäger in Deutschland warten rückte näher.
Doch noch war es der 30.April, wir Jäger saßen bei der Wirtin Astrid in der Wirtschaft „im Elstertal“ und erholten uns mit einem Bier oder Kaffee von der langen Fahrt. Wir warteten auf den Förster und dieser ließ auch nicht allzu lange auf sich warten. Herr Schütze ist ein netter, sympathischer junger Mann, der seine Aufgabe im Wald mit voller Begeisterung und Hingabe ausübt. Er freute sich sehr uns wiederzusehen, denn nun begann ja auch für ihn die neue Jagdsaison, auf die Herr Schütze wohl genauso sehr fieberte wie wir.


Es gab eine kurze Unterweisung wie wir die nächsten Tage vorgehen wollten, welche Autos für den Wald genutzt werden sollten und um wie viel Uhr unsere Jagdtouren starten sollten. Wir ließen den Abend in einer gemütlichen Runde ausklingen, Herr Schütze aß noch mit uns, man plauderte über Jagd, Politik oder Privates.
Sehr spät wurde es allerdings nicht, jeder wollte am nächsten Morgen fit sein.
Viel geschlafen hatte ich jedoch nicht, zu groß war die Aufregung die mich im Bett von links nach rechts wälzen ließ. Ich teilte mir ein Zimmer mit Mario, er ist in meinem Alter und ich kannte ihn aus der Rheinbacher Schieß-Juniorenmannschaft. Ihm erging es ähnlich wie mir und wir waren beide froh als uns der Wecke um halb vier endlich erlöste.


Am Sammelpunkt blickte man dann in verschlafene, aber hochmotivierte Gesichter, man verteilte sich auf die Autos und los ging die Fahrt ins Revier.
3000ha ist der Bundesforst groß, 2000ha davon gehören zum Tätigkeitsbereich von Herrn Schütze. Ich hatte irgendwann aufgehört mir den Weg zu merken, im Dunkeln hatte man gar keine Chance und selbst im Hellen wurde man aus den vielen Kreuzungen und Weggabelungen nicht schlau.
Nach und nach wurden wir aus den Autos entlassen und Herr Schütze teilte uns die Sitze zu.
Es war noch stockduster als ich mich auf meinem Sitz einrichtete. Ich saß an einer breiten Brandschutzschneise, doch noch konnte man nicht viel erkennen.

Es schummerte leicht als urplötzlich ein Reh über die Forststraße wechselte, schnell wanderte das Glas an die Augen, doch genau so schnell wie das Stück Rehwild gekommen war, war es auch schon wieder im gegenüberliegenden Bestand verschwunden. Die Entfernung betrug zwar nur knappe 50 Meter, doch das wenige Licht ließ es mich nicht erkennen ob es sich um eine Ricke oder einen Bock handelte.


Es wurde heller und ein wunderschöner erster Maimorgen brach in den Bundesforst hinein. Ich hatte noch ein geringes Rudel Rotwild und eine einzelne Ricke vor, ein Bock hatte sich leider nicht blicken lassen. Aber vielleicht bei meinem Nachbarschützen, denn ich hatte in gar nicht allzu weiter Entfernung einen Schuss vernommen. Und richtig, Udo hatte an einem Wildacker einen jungen Gabler geschossen. Ein weiterer Jagdgast aus unserer Runde hatte Waidmannsheil auf einen Jährling und so konnten wir am ersten Morgen zwei Böcke ins Kühlhaus hängen, ein passender Beginn.
Den Abendansitz verbrachte ich mitten im Bestand. Böcke ließen sich auch dieses Mal nicht blicken, dafür hatte ich lange Zeit ein kleines Rudel Rotwild vor. Zwei Alttiere und drei Schmaltiere wechselten im Bestand bis auf 50m auf meine Kanzel zu, es war ein toller Anblick, konnte ich Rotwild noch nie so gut beobachten wie an diesem Abend.


Auch beim Abendansitz schaffte es die Jagdgruppe zwei Böcke zur Strecke zu legen. Mein Jagdherr schoss einen Gabler und Udo krönte seinen perfekten Start in die Bockjagdsaison mit der Erlegung eines starken Sechsers. Ein Bock wie aus dem Bilderbuch. Starke Stangen, dicke Rosen und gute Perlung. Dieser Bock sollte auch bis zum Ende unserer Jagdreise der stärkste Bock der Woche bleiben.
Der erste Jagdtag war vorüber und konnte ich auch nicht meinen ersten Rehbock strecken, so genoss ich doch wunderschöne Momente und machte interessante Beobachtungen.


Der zweite Jagdtag begann wie der Erste. In aller Herrgotts Frühe riss uns auch dieses Mal der Wecker  aus unseren Träumen, doch spätestens als man im Geländewagen über die hügeligen Forststraßen fuhr war auch die letzte Müdigkeit verschwunden.
Vor zwei Jahren hatte ich genau an diesem Tag die Jägerprüfung bestanden, eigentlich der perfekte Tag um meinen ersten Bock im Leben zu schießen.
Der Morgenansitz am Wildacker brachte aber außer zwei Hasen nichts ein. Es war ein sehr kalter Morgen, das Wild schien  nicht auf den Läufen zu sein, nur ein Jäger aus unserer Gruppe konnte einen Jährlingsspießer strecken. Doch im Laufe des Tages kam die Sonne raus, es wurde angenehm warm und der Abendansitz stand unter besten Vorzeichen.


Mein Jagdherr meinte ich solle doch an die große Wiese gehen wo er am Vorabend den Bock gestreckt hatte, er hatte dort noch einen anderen Bock ausgemacht.
Mir erschien der Plan gut und so saß  ich an diesem lauen Maiabend an einer großen Wiese. Schon beim Angehen strichen drei Seeadler ab, sie hatten sich wahrscheinlich über den Aufbruch hergemacht. Ein imposanter Anblick. Von dem Sitz aus konnte man eine große Wiese einsehen, links und rechts um meinen Sitz herum standen einige Büsche, in der Mitte der Wiese war ein Graben.
Der gegenüberliegende Waldrand war gute 130 Meter entfernt, dort wo der Wald einen Knick macht stand ein Leckstein. Ein schöner Sitz, ich richtete mich ein und lies mir die warme Abendsonne ins Gesicht scheinen. Doch lange musste ich nicht auf meinen ersten Wildkontakt warten.

Im besten Licht trat am gegenüberliegenden Waldrand ein starker Fuchs aus, blieb aber im Wald und wurde von später noch einmal auf 300m linker Hand an der Feldgrenze gesehen. 
Es wurde schon leicht schummrig, da trat gute 100m entfernt an der rechts liegenden Waldkante ein Stück Rehwild aus. Der Puls wurde schneller, die Hände zitterten leicht als das Glas zu den Augen wanderte, doch so schnell die Aufregung kam so schnell ging sie auch wieder. Es war eine Ricke, die dort äste und langsam Richtung Leckstein zog.


Das Licht wurde schlechter und schlechter und ich rechnete ehrlich gesagt nicht mehr damit meinen ersten Bock an diesem passenden Datum zu erlegen. Die Sicht zum gegenüberliegenden Waldrand wurde schon sehr schlecht, da vernahm ich schon ein leichtes Tippeln. Ich dachte an einen Hasen der gar nicht weit von der Kanzel entfernt  über das trockene Laub vorbei  hoppelte. Ich schenkte dem Geräusch nicht weiter Beachtung und guckte eher beiläufig aus dem linken Kanzelfenster.
Mir stockte der Atem, da stand, hinter dem Haselnussstrauch, ein Reh auf der Wiese.
Mehr konnte ich nicht sehen, da  sprang das Reh auch schon laut schreckend ab.


„Schöne Scheiße“, dachte ich mir. Laut ertönte das regelmäßige Schrecken hinter den Büschen und Sträuchern, ich ärgerte mich schon über die vertane Chance, als ich meinte das Schrecken näher kommen zu hören. Und wirklich, da erschien auf einmal das Reh wieder auf der Bildfläche. Ich hatte das Glas noch nicht an den Augen da trat ein weiteres Reh auf die Wiese aus. Es war schon so duster, dass ich trotz der geringen Entfernung von geschätzten 30m nicht erkennen konnte was Bock oder Ricke war, oder waren es vielleicht sogar zwei weibliche Stücke? Ich wusste nicht so recht weiter, ich ging vorsichtshalber mit der Waffe in Anschlag, erstens  um gegebenenfalls schnell handeln zu können und zweitens und die Reher durchs Glas genauer ansprechen zu können.

 Das erste Reh schreckte nun weiter, ein dunkles Schrecken, und es bewegte sich immer weiter auf mich zu, als wenn es die Holzkiste aus der der eigenartige Geruch auf die Wiese drang nicht recht einordnen konnte. Mutig zog das Reh Schritt um Schritt auf mich zu, das andere Reh blieb schüchtern dahinter. Für mich war die Sache klar, ein junger, temperamentvoller Bock wollte seiner weiblichen Begleitung, wahrscheinlich ein Schmalreh, mit seinem Mut imponieren. Aber nur aus Verdacht wollte ich nicht schießen. Ich blickte scharf durch das Glas und erkannte nun zwei eng stehende, helle Stangen. Ein Bock!
Ich drückte den Spannschieber nach vorne, der Puls jagte im Hals, doch der Bock drehte sich wieder und zog etwas zurück, immer noch schreckend. „Stell dich breit“, dachte ich mir und dann, gute 25m entfernt tat er mir dann den Gefallen und drehte sich leicht nach links, der Zielstachel fand das Blatt und der Finger krümmte sich.


 Das Mündungsfeuer blendete, doch ich konnte erkennen, wie der Bock sich drehte, mit den Hinterläufen ausschlug und dann im höchsten Tempo übern den Graben zum gegenüberliegenden Waldrand flüchtete. Das Schmalreh war dorthin geflüchtet woher es gekommen war. Meine Hände zitterten. Der Bock war weg. Ich brach die Bockbüchsflinte und fingerte die leere Patronenhülse raus. Völlig aufgedreht und vom Jagdfieber geschüttelt packte ich meine Sachen und verließ die Kanzel. Meine Aufregung war so groß, dass ich beinahe von der Leiter gestürzt wäre.
Ich ging zu der Stelle wo ich den Anschuss vermutete und tatsächlich, ich fand Schweiß und Panseninhalt. Der Verdacht, dass ich den Bock weich getroffen hatte, hatte sich bestätigt.


Schnell erinnerte ich mich an das, was mir im Jungjägerkursus über das Verhalten am Anschuss gelehrt wurde. Ich wollte für die Nachsuche nichts vertreten, deswegen nahm ich ein Signalband aus meinem Rucksack, markierte die Stelle des Anschusses und ging zur Forststraße zurück.
Als der Förster mit einigen anderen Jägern eintraf untersuchten wir gemeinsam den Anschuss.
„Den kriegen wir, ansonsten holen wir den Hund noch zur Hilfe“, so die aufmunternden Worte des Försters. Wir verfolgten die Schweißspur, bis zum Graben konnte man diese mit dem bloßen Auge gut erkennen, dann war plötzlich gar kein Schweiß mehr zu finden. Ich wies die anderen Jäger ein wo der Bock ungefähr in den Wald geflüchtet war. „Etwas weiter links“, rief ich den Jägern zu, die mir bei der Suche nach meinem Bock halfen. Ich ging selber in den Wald und ich war keinen Meter gegangen da rief der Förster mir zu, „Da liegt der Bock, Waidmannsheil!“


Mir fiel ein Stein vom Herzen, da lag er, mein erster Rehbock, ein zweijähriger, lauscherhoher Gabler!
Der Schuss saß, wie vermutet, etwas weit hinten, hatte Pansen und Leber schräg von hinten zerstört und war kurz vor der Kammer wieder ausgetreten. Die Kugel hatte sogar noch den rechten Vorderlauf erwischt, ein Wunder, dass er noch so weit geflüchtet war. Es war wohl eine Mischung aus zittrigen Händen, schlechtem Licht und die etwas schräge Stellung des Bockes bei der Schussabgabe die zu dem suboptimalen Schuss führten. Doch war ich froh, dass der Bock nun lag und uns eine lange Nachsuche erspart blieb.


Ich versorgte den Bock notdürftig und trug ihn zum Auto. Ein weiterer Mitjäger konnte an diesem Abend auch seinen ersten Rehbock strecken und so saßen wir an diesem Abend etwas länger als sonst in der Dorfkneipe und erzählten wieder und wieder die Geschichten der Erlegung unserer Böcke.
Den dritten Jagdtag konnte ich nun ganz entspannt angehen. Ich war mit mir und meinem Rehbock höchst zufrieden und so genoss ich einen wunderschönen sonnigen Maimorgen. Dass sich nur ein Hase an diesem Morgen zu mir gesellte machte mir überhaupt nichts.
Nicht weit von meinem Sitz entfernt fiel an diesem Morgen ein Schuss, ich wusste, dass Mario in meiner Nähe saß und tatsächlich, auch er konnte an diesem Morgen seinen ersten Rehbock in seinem Leben strecken.

Die Jagdreise nach Brandenburg  hatte meine Erwartungen  mehr als erfüllt. Fantastisches Wetter, nette Leute und ein super Revier mit einem sehr guten Wildbestand sprachen für sich.
Am Ende unserer Reise konnten wir 12 Stück Wild zur Strecke legen. Elf Böcke und eine Sau, ein Überläuferkeiler. Jeder Jäger war zu Schuss gekommen und hatte auch Waidmannsheil, Jägerherz was willst du mehr und so fuhren wir am 5.Mai glücklich aber auch etwas geschafft zurück nach Rheinbach.


Quelle: Christian Michalski / Hegering Rheinbach

Zuletzt bearbeitet am Freitag, 12. Oktober 2012 08:06

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