LANDKREIS. Ein kurzes Unwetter am Sonntagnachmittag genügte, um große Teile des Landkreises im wahrsten Sinne des Wortes zu fluten. War in der vergangenen Woche das Hinterland vom Starkregen und den Überflutungen betroffen, so blieb dieser Teil des Landkreises am Sonntag als Einziger verschont.
Der Deutsche Wetterdienst hatte für den Landkreis die höchste Warnstufe ausgerufen – und sollte Recht behalten: Starkregen, teils mit Hagel, sorgte für zahlreiche überflutete Keller, umgestürzte Bäume, überflutet und mit Schlamm bedeckte Straßen. Kreisfeuerwehrsprecher Stephan Schienbein berichtete gegen 19.30 Uhr: „Wir haben im gesamten Kreisgebiet nach derzeitigem Stand etwa 200 Einsätze, wobei ein Schwerpunkt mit etwas 100 Einsatzstellen alleine in Marburg liegt.“ Was die Nacht noch bringe, konnte der Pressesprecher nicht genau sagen: „Wir sehen, dass eine weitere Regenfront auf dem Weg in unsere Richtung ist – aber wir können derzeit noch nicht sagen, ob sie den Landkreis treffen wird.“
In der Universitätsstadt war vor allem Cappel betroffen: Geradezu sturzbachartig kamen die Wassermassen angeschossen. Dutzende Keller und Wohnungen liefen voll, die Rettungskräfte waren im Dauereinsatz. So stand beispielsweise der Cappeler Kindergarten unter Wasser. Auch etliche Wohnhäuser waren betroffen – so etwa eine Sousterrain-Wohnung an der Umgehungsstraße. Dort stand das Wasser einen guten Meter hoch in der Wohnung, es war über die Terrassentür eingedrungen.
In Marburg waren auch größere Gebäude vom Wassereinbruch betroffen. Einsatzleiter Andreas Kuhl berichtet: „Wir haben Einsätze im Klinikum, dort war vor allem das Mutter-Kind-Zentrum betroffen. Auch in der Stadthalle stand das Wasser, ebenso, wie in Kellerräumen bei Temmler-Pharma.“ Alle Stadtteilwehren seien mit 35 Fahrzeugen im Einsatz, man arbeite die Einsatzstellen nach und nach ab.
Auch die Energiemesse, die am Wochenende vor dem Landratsamt stattfand, fand ein jähes Ende. Aussteller Nicolai Weber erzählt: „Innerhalb von wenigen Minuten schoss das Wasser geradezu in einer Flutwelle über das Gelände.“
Das Unwetter forderte bisher auch zwei Verletzte: Zwei Motorradfahrer hatten sich auf der B 62 bei Kirchhain vor dem Regen unterstellen wollen. Sie wurden offenbar von einem Autofahrer übersehen und gerammt – beide kamen schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt, ins Krankenhaus.
Ein weiterer Schwerpunkt der Unwetter befand sich in Neustadt: Dort wurde die Marktstraße von Wasser und Schlamm überflutet, die Wehren waren stundenlang im Einsatz. Davon betroffen war auch das Neustadt-Treffen, das an diesem Wochenende stattfand und nun buchstäblich ins Wasser fiel. So war etwa ein großes Straßenmaler-Festival geplant – die begonnenen Kunstwerke wurden sofort weggespült.
Glück im Unglück hatte indes ein Hausbesitzer in Münchhausen: Nach einem Blitzschlag wurde dort zunächst ein Hausbrand gemeldet – diese Befürchtung traf laut Feuerwehrsprecher Stephan Schienbein jedoch nicht zu. „Es entstand lediglich ein Gebäudeschaden.“
In der Gemeinde Weimar waren die Wehren ebenfalls im Einsatz – so etwa in Niederweimar, wo eine ortsansässige Schreinerei von den Wassermassen ebenso getroffen wurde, wie mehrere Wohnhäuser. Ein Anwohner in der Liebigstraße in Niederweimar erzählt: „Anfangs stand hier das Wasser rund 40 Zentimeter hoch im Keller – und das auf einer Fläche von mehr als 50 Quadratmetern.“
Gegen 18.45 Uhr rückte auch die Feuerwehr Oberwalgern aus – zu ihrem bis dato einzigen Hochwassereinsatz am Sonntag: Dort stand ebenfalls ein Keller unter Wasser – zum Glück ohne größere Schäden. (as)