HARFELD. „Vorhin bin ich noch mal zur Unfallstelle gefahren und habe mir das noch mal angeschaut. Man denkt schon oft darüber nach und es beschäftigt einen. Aber nicht so sehr, wie ich das eigentlich von mir erwartet hätte“, erzählt Förster Jakob Jacques auf der Terrasse eines Feriehauses, in dem er ein paar Tage verbringt. Er blickt in eine Wiese, auf verwehte Heumahden, die der Rettungshubschrauber aufgewirbelt hat und auf Telefonmasten, von denen einer so verheerende Folgen für einen jungen Motorradfahrer hatte. Wenn Jakob Jacques nicht gewesen wäre, wäre der Motorradfahrer am Donnerstag bei seinem schweren Unfall wahrscheinlich verstorben. Der junge Förster aus Ruppichteroth hat dem Biker das Leben gerettet.
„Ich saß auch hier auf der Terrasse, habe gerade etwas getrunken und sah die Motorradfahrer vorbei fahren. Auf einmal hörte ich einen Schlag und hörte den Fahrer um Hilfe schreien“, erinnert er sich. Zu zweit waren die Motorradfreunde unterwegs, der Vorausfahrende hatte den Unfall zunächst gar nicht bemerkt. „Der hat umgedreht und dann auch sofort um Hilfe gebeten“, berichtet der Förster. Jakob Jacques setzte sich in sein Auto und fuhr einige Meter zur Unfallstelle. „Warum ich ins Auto bin und nicht gelaufen bin, weiß ich nicht“, erklärt er. „Am Anfang habe ich gar nicht richtig erkannt, was überhaupt geschehen war. Ich bin dann ausgestiegen und habe gefragt, ob Hilfe benötigt wird“, erinnert er sich. Was er dann sah, beschäftigt ihn auch am Tag nach dem Unfall noch sehr: Das Bein des Motorradfahrers war abgetrennt worden. Vermutlich durch jenes Stahlseil, was seit dem Unfall lose in der Böschung liegt und eigentlich den Strommast in der Erde stabilisieren soll. Der schwer verletzte Motorradfahrer war noch ansprechbar, als Jakob Jacques zu ihm kam. „Er hatte zum Glück keine Schmerzen und hat mich gebeten, sein Bein oberhalb der Amputationsstelle abzubinden“, erinnert sich der Förster. Jetzt zahlt es sich aus, dass er nicht zu Fuß, sondern mit dem Auto zur Einsatzstelle geeilt war: Die Hundeleine von Jagdhund „Artur“ muss zum Abbinden herhalten. „Da war schon ein Gürtel drum, aber der war nicht stramm genug. Mit der Hundeleine konnten wir richtig Druck aufbauen und die Blutung zum Stillstand bringen“, berichtet der 28-jährige Retter. Jakob Jacques erinnert sich: „Ich war sehr froh, dass der Fahrer noch wach war. Wir haben über Gott und die Welt geredet. Ich habe ihn gefragt, wo er her kommt und ihm erzählt, wo ich her komme. Zum einen, um ihn abzulenken, aber auch, um ihn wach zu halten. Ich habe schon sehr gebangt, ob das hier gut geht“, berichtet der Förster.
Unterdessen hat die Kreisleitstelle Siegen-Wittgenstein Alarm ausgelöst, um den Förster zu unterstützen und das Leben des Motorradfahrers zu retten: In Bad Berleburg macht sich umgehend das Notarzteinsatzfahrzeug der DRK Rettungswache mit einem Notarzt auf dem Weg zum Harfeld. In der DRK Rettungswache Bad Laasphe startet parallel ein Rettungswagen. Die Feuerwehren aus Richstein und Arfeld werden ebenfalls zum Harfeld alarmiert. In Bad Laasphe und Bad Berleburg machen sich drei Streifenwagen auf den Weg, in Reichelsheim startet Rettungshubschrauber „Christoph Mittelhessen“ mit einem weiteren Notarzt an Bord in Richtung Harfeld. Vor Ort übernehmen die Rettungskräfte den schwer verletzten Motorradfahrer sehr gut vorversorgt von Ersthelfer Jakob Jacques. Der Rettungsdienst wird von den Polizeibeamten der drei Streifenwagen tatkräftig unterstützt, die den Patienten und auch das Amputat mit versorgen. Nach der akuten Phase haben sie auch Zeit, sich noch mal um Jakob Jacques zu kümmern, und ihm ihren Respekt zu zollen. Sie machen dem Förster vor Ort schon deutlich, was sich in der Klinik bestätigt: Wäre er nicht als Helfer vor Ort aktiv gewesen, hätte der Motorradfahrer diesen Unfall nicht überlebt. Nach Stand am Freitagmittag schwebte der Motorradfahrer nicht mehr in Lebensgefahr. Für Jakob Jacques ein wunderbares Gefühl. Über diese Nachricht freut er sich sehr, ist still. Lächelt und streichelt Artur durchs Fell, dessen Leine mit dem Rettungshubschrauber weggeflogen ist. „In dem Moment funktioniert man einfach. Ich habe einfach gemacht und nicht nachgedacht. Normalerweise bin ich beim Anblick von Verletzungen sehr empfindlich, aber hier ging es. Da bin ich auch ein bisschen stolz drauf“, lächelt er. Übers Wochenende war er noch an seiner alten Wirkungsstätte am Harfeld, wo er als Förster gearbeitet hat. Dann ging es wieder zurück zum neuen Arbeitgeber. „Es zieht mich immer noch mal in die Gegend hier zurück. So eine Landschaft gibt es wohl kaum noch einmal“, erzählt er und blickt wieder ins Tal unterhalb seiner Unterkunft.