BAD LAASPHE. Notfall auf einem Windrad, in 137 Metern Höhe, weit über Hesselbach. Die Drehleiter einer Feuerwehr würde 23 Meter, im optimalsten Fall 30 Meter schaffen. Einen Aufzug gibt es im Windrad. „Den muss man sich vorstellen, wie ein Dixi-Klo von der Größe her. Da können zwei Mann voreinander stehen, zur Rettung ist der nicht vorgesehen“, erklärt Cliff Reppel, Architekt bei der Wittgenstein Wind Gruppe in Bad Laasphe, dem Betreiber der Windkraftanlagen auf dem Armen Mann bei Hesselbach. Es gebe zwar eine Luke zur Rettung über Leitern, aber wenn es wirklich schnell gehen müsse, sei dies kaum eine Alternative, erklärt der Fachmann.
Letzte Rettung Hubschrauber
Jetzt kann nur noch ein Hubschrauber schnelle Hilfe bringen: Mit Rettungswinde und speziell ausgebildeten Luftrettern und Höhenrettern. Höhenretter gibt es bei der Berufsfeuerwehr Siegen. Sie können aufgenommen und zu Patienten in großen Höhen geflogen werden. Einen entsprechenden Hubschrauber mit einer Rettungswinde gibt es im Kreis Siegen-Wittgenstein jedoch bisher nicht. Deshalb musste der Hubschrauber am Montagmorgen von der hessischen Polizeifliegerstaffel aus Egelsbach bei Darmstadt anrücken. Die Piloten und Operatoren dort sind in Windenrettungsflügen sehr erfahren. Zusammen mit weiteren Höhenrettern und Luftrettern der Berufsfeuerwehr Wiesbaden sind sie am Dienstag in Wittgenstein gelandet, um zu zeigen, wie eine Rettung von Verletzten von einem Windrad abläuft und um auch den Siegener Kollegen die Möglichkeit zu geben, an einem Windenhubschrauber trainieren zu können und die Rettung von einer Windkraftanlage auch auf diese Art kennen zu lernen. „Die gemeinsame Übung kam durch die Kontakte zu den Wiesbadener Kollegen zu Stande. Wir sind sehr froh über diese Möglichkeiten“, freut sich Klaus Schulz, der Chef der Höhenrettungsgruppe der Berufsfeuerwehr Siegen. Derzeit besteht die Truppe aus 15 Spezialisten, die nach der Alarmierung in nur fünf bis zehn Minuten einsatzklar sind. „Die Kollegen kommen von zu Hause, nicht aus dem Dienst. Und sie müssen dann eben ihr Material beisammen suchen, um dann zum Einsatz zu gehen“, erklärt Klaus Schulz.
Polizeipilot Marcel Ulrich und seine Kollegen landen mit dem Eurocopter 145 unterdessen an einem Stellplatz unmittelbar vor einem Windrad. Etwa dreißig Minuten Anflugzeit haben sie aus dem rund 150 Kilometer entfernten Egelsbach benötigt.
Zur Übung gibt es für alle Kräfte der Feuerwehren zunächst eine Sicherheitseinweisung an der Maschine. Wichtige Verhaltensregeln im und am Hubschrauber, einfache Handzeichen für unterschiedliche Situationen oder Probleme werden besprochen und noch offene Fragen geklärt, bevor es los geht. Dann startet der Hubschrauber mit den ersten Höhrettern an Bord, die heute auch gleichzeitig die Verletztendarsteller sind. Nach dem die Windkraftanlagen zuvor abgeschaltet wurden, nähert sich der Hubschrauber Meter für Meter dem gigantischen Rad. Als der Standort passt, werden die Retter abgewincht, um ihren Patienten oben auf dem Windrad vorzubereiten. Der Hubschrauber dreht unterdessen ab, um bereits das nächste Team aufzunehmen, und nach oben zu fliegen.
Winde beim eigentlich zuständigen Rettungshubschrauber fehlt noch
Viele Mitarbeiter der Wittgenstein Wind Gruppe sind zur Übung gekommen, auch ein Team der Firma Vestas, der Herstellerfirma der Windräder, ist heute dabei. Auch aus diesen Reihen kommen heute die Verletztendarsteller. „Wir sind sehr dankbar, dass Sie da sind und wir freuen uns, dass wir Ihnen unsere Anlage zu Übungen zur Verfügung stellen dürfen“, wendet sich Geschäftsführer Prinz Karl zu Sayn Wittgenstein Berleburg an die Einsatzkräfte. Auch der Prinz hat Gurtzeug angezogen und wird gleich als Verletzter mit dem Hubschrauber gerettet. „Das ist uns wichtig. Bei solchen Anlagen muss einfach auch die Rettung im Notfall sichergestellt sein. Wir sind daher sehr froh, dass wir das heute zumindest hier mal erleben können. Leider verfügt ja der eigentlich zuständige Siegener Rettungshubschrauber nicht über eine Winde. Nicht nur für die in Südwestfalen stetig steigende Anzahl von Windkraftanlagen ist dies unabdingbar. Auch Freizeitunfälle, Forstunfälle und unsere Topographie erfordern das einfach“, macht Jan Philipp Krämer, Operations-Manager der Wittgenstein Gruppe deutlich.
Die Rettungsteams zeigen eindrucksvoll, wie sie mit Bergesack im Liegen, aber auch mit dem Evakuierungsdreieck im Sitzen die Patienten binnen weniger Minuten vom Windrad retten. Am Nachmittag endet die Übung und alles hat super geklappt. Klaus Schulz ist sehr froh für seine 15 Kameraden, von denen drei Ausbilder sind, diese Möglichkeit bekommen zu haben. Auch er hofft neben den Windradbetreibern, dass die Dringlichkeit einer Winde für Siegens Rettungshubschrauber erkannt und schnell umgesetzt wird. Ansonsten kann es in den in Wittgenstein noch geplanten Windkraftanlagen lebensgefährlich für verunfallte Monteure werden. Denn Zeit für einen Anflugweg von mehr als 30 Minuten haben sie womöglich nicht. Die hessischen Piloten schildern dazu ein weiteres Problem: „Nach Bad Berleburg, weiter in NRW, würden wir wahrscheinlich eher nicht fliegen dürfen. Dazu müsste dann wahrscheinlich erst ein Amtshilfeersuchen gestellt werden.“