Die Arbeit des Unfallaufnahmeteams der Polizei NRW nach schwerem Verkehrsunfall

Montag, 29. April 2024 13:40 geschrieben von  Matthias Böhl
Bis ins kleinste Detail sichern die Spezialisten der Unfallaufnahmeteams, kurz VU-Teams, der Polizei NRW - hier Dortmund- Spuren und Beweise, um schwere und schwerste Verkehrsunfälle zu rekonstruieren und aufzuklären. Bis ins kleinste Detail sichern die Spezialisten der Unfallaufnahmeteams, kurz VU-Teams, der Polizei NRW - hier Dortmund- Spuren und Beweise, um schwere und schwerste Verkehrsunfälle zu rekonstruieren und aufzuklären. Fotos: Matthias Böhl, 112-Magazin

BANFE. Nach dem schweren Unfall in Banfe kam am Samstag auch ein Unfallaufnahmeteam der Polizei NRW aus Dortmund zum Einsatz. Die Spezialisten kommen immer dann zum Einsatz, wenn ein Mensch bei einem Verkehrsunfall in NRW lebensgefährlich verletzt wurde, oder gestorben ist.
Am Samstag wurde ein Rennradfahrer mit lebensgefährlichen Verletzungen in eine Klinik geflogen, nachdem er mit einem abbiegenden Pkw kollidiert war.
Zuvor wurde der Mann noch auf der Straße vom Rettungsdienst versorgt. Dazu mussten die Einsatzkräfte den Helm entfernen, und dem Mann die Kleidung ausziehen. Dinge, die später als Beweismittel dienen. Die Polizeibeamten der zuständigen Wachen aus Bad Berleburg und Bad Laasphe beginnen bereits mit der Unfallaufnahme: Mit Sprühkreide werden die Bremsspuren des Fahrrades auf dem Asphalt markiert. An dem schwer beschädigten Pkw werden Pfeile und Maßbänder aufgeklebt, die die Einschlagmarken vom Fahrrad und vom Körper des Radfahrers markieren und später behilflich sind, die Fotos maßstabgetreu anfertigen zu können. Das ist bei allen schweren Unfällen dieser Art üblich.
Als das Unfallaufnahmeteam vor Ort eintrifft, ist es bereits dunkel. Für das Team, bestehend aus zwei speziell ausgebildeten Polizeibeamten und einem Kfz-Meister, kein Problem. Die Beamten bringen ihre eigene Beleuchtung mit. Es wird ein fahrbarer Lichtmast in Stellung gebracht, der flexibel auf der Straße verschoben werden kann und mit einer Teleskopstange mit Muskelkraft weit in die Höhe gefahren werden kann, um die Unfallstelle komplett auszuleuchten. Das Licht, das von den Strahlern des Mastes ausgeht, kann gedimmt, oder komplett ausgeschaltet werden. Ein zweiter Lichtmast, die so genannte Tatortleuchte, ist deutlich kleiner und kann genutzt werden, um die Bereiche, die fotografiert werden müssen, direkt anzustrahlen. Nachdem alles in Stellung gebracht wurde, beginnen die Ermittler zunächst damit, die abschüssige Straße, den Lindenfelder Weg, wo es zum Unfall gekommen ist, hinsichtlich Länge, Breite und Neigung genauestens zu vermessen und zu markieren. Der Radfahrer war vermutlich mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit bergab gefahren und dabei mit einem Pkw kollidiert, der links abbiegen wollte. Der Pkw Fahrer hatte den herannahenden Radfahrer nicht erkannt. Dies könnte möglicherweise auch an der tief stehenden Sonne gelegen haben. Eine Tatsache, die in die Ermittlungen mit einbezogen wird. „Wir können hinterher genau sagen, wo die Sonne ihren Stand hatte. Dies funktioniert mit Angaben von Datum und Uhrzeit internetgestützt und wir bekommen den genauen Winkel der Sonne dann angezeigt. Viele Verkehrsteilnehmer geben dies als mögliche Ursache an, die Sonne stand aber dann im 90 Grad Winkel von ihnen weg. Wenn uns einer im Hochsommer um 17:00 Uhr sagt, er wurde von der Sonne geblendet, sagen wir „Nein!“. Aber hier könnte das passen“, erklärt einer der Ermittler vor Ort.

Detaillierte Fotos von der gesamten Unfallstelle

Nachdem die Markierungen auf der Fahrbahn gesetzt und die Messungen dokumentiert worden sind, müssen die Ermittler nun detaillierte Fotos machen. Dabei geht es um den Pkw, der schwer beschädigt in der Einfahrt zum Sportplatz steht und um das Fahrrad, das daneben liegt. Wichtig zu wissen ist, dass die Position beider Fahrzeuge nicht der Endstand nach dem Unfall ist. Beide Fahrzeuge wurden noch vor Eintreffen der ersten Polizeistreife weg gefahren. Für die Ermittlungen ist das schwierig. „Die Leute wollten Platz für die Rettungskräfte machen“, erklären die Ermittler. Der Fahrer des Pkw und sein Mitfahrer leisteten dem Radfahrer Erste Hilfe, bis der Rettungsdienst ankam.
Der Pkw wird nun von allen Seiten fotografiert. Die zerborstene Beifahrerscheibe und die Einschlagstellen auf der selben Seite sind dabei von besonderer Bedeutung. Aber auch ein genauer Blick unter das Fahrzeug, an die Front, das Heck, das Dach und die gegenüberliegende Seite gehören nun dazu. Ebenso wird vom Kfz-Meister das Fahrzeug mit einem Laptop ausgelesen, um weitere Hinweise zu den Umständen beim Unfall bekommen zu können. Anschließend schaltet der Mann den Wagen stromlos, da es sich im ein Elektrofahrzeug handelte und so keine ungeplanten Verfälschungen durch den Strom mehr möglich sind. Das Auto wird nach Rücksprache und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft, die die Beamten aufgrund der Schwere des Unfalls direkt kontaktiert haben, beschlagnahmt und sichergestellt. „Hier kann der zuständige Sachbearbeiter dann weitere Ermittlungen in den nächsten Tagen durchführen und irgendwann wird das Auto dann wieder freigegeben“, erklärt ein Polizeibeamter vor Ort.
Nun wird auch das Fahrrad detailliert untersucht und fotografiert. „Der Rahmen ist gerissen. Das Fahrrad ist ein Totalschaden“, resümieren die Fachleute. Dies gibt auch einen Eindruck über die Wucht des Aufpralls, was auf eine vermutlich recht hohe Geschwindigkeit des Radfahrers schließen lässt. Dazu passt auch die recht lange Bremsspur auf der Gefällestrecke. Die Beamten suchen an der Unfallstelle auch nach einem Tacho, der möglicherweise abgeflogen ist und Daten zur Fahrt gespeichert haben könnte. Außerdem wird das Handy des Radfahrers sichergestellt. „Das war in der hinteren Hose. Das hat er sicher nicht benutzt zum Unfallzeitpunkt. Aber vielleicht gibt es eine Tracking-App, die weiteren Aufschluss über die Geschwindigkeit geben könnte“. Eine weitere Frage, die sich die Ermittler vor Ort stellten, war, ob der Mann möglicherweise eine Fitness-Uhr getragen hat, die mit dem Fahrrad gekoppelt gewesen sein könnte und eventuell Geschwindigkeitsdaten gespeichert hat. Dazu werden die vor Ort tätigen Rettungskräfte noch einmal telefonisch befragt, da diese an den Armen Venenzugänge angelegt haben. Die Hinweise auf eine Uhr erhärten sich nicht.
Nun erfolgt die Rekonstruktion des Einschlages vom Fahrrad ins Auto. Hier wird geschaut, welche Einschlagspuren zum Fahrrad passen und welche Richtung es nach dem Anprall genommen hat, wo es zu weiteren Einschlägen kam, ob der Radfahrer über das Dach geflogen ist, oder seitlich abgeleitet wurde. Die Einschläge des Fahrrades werden im Foto festgehalten und dokumentiert. Die Spuren an der Unfallstelle zeichnen das Bild, dass das Fahrrad in der Beifahrertür einschlug und der Radfahrer seitlich abgeleitet worden ist.

Kleidung und Helm als Beweismittel

Auch die Kleidungsstücke des Radfahrers und sein Helm müssen nun begutachtet und fotografiert werden. Der Helm ist im vorderen Bereich leicht eingerissen, ansonsten sind keine Beschädigungen zu erkennen. Der Helm wird auf einen an der Straße stehenden Leitpfosten, der mit „K 17“ die Bezeichnung jener Kreisstraße trägt, auf der es zu dem folgenschweren Unfall gekommen ist, aufgesetzt und aus allen Positionen in Augenschein genommen und fotografiert. Alles wird sauber dokumentiert. Das selbe geschieht mit der Kleidung, die vom Rettungsdienst entfernt werden musste: „Die Bekleidung ist schwarz. Wäre der Unfall vielleicht vermeidbar gewesen, wenn der Radfahrer Neonkleidung oder Warnweste getragen hätte? Das sind Fragen, die wir uns stellen müssen“, erklären die Beamten vor Ort. „Wenn es hier zu so einem schweren Unfall kam, bei dem ein Mensch möglicherweise versterben kann, oder schwere gesundheitliche Schäden entstanden sind, dann ist es wichtig, dass wirklich alles dokumentiert ist“, machen die Ermittler deutlich. Auch, wenn diese Arbeit lange Zeit in Anspruch nimmt und eine Straße über Stunden gesperrt bleiben muss. Immer wieder kommen Autofahrer an, die mit der Sperrung nichts anfangen können. Viele müssen von der Polizei zurück geschickt werden, ein Mann sagt sogar: „Ich muss aber jetzt hier durch“. „Wir hören das oft“, erzählen die Ermittler. „Was für uns alltäglich ist, ist für diese Menschen eine Ausnahmesituation. Die fahren vielleicht seit über 50 Jahren Auto und erleben sowas jetzt zum ersten Mal“.

3-D-Scan von der Einsatzstelle und Reinigung der Fahrbahn

Nachdem auch die persönlichen Gegenstände begutachtet und fotografiert wurden, erfolgt zuletzt noch ein so genannter 3D-Scan an der Einsatzstelle. Dazu wird ein Scanner auf einem Stativ in Stellung gebracht und erfasst die gesamte Unfallstelle und deren Umgebung. Jetzt ohne Beleuchtung, bei völliger Dunkelheit und ohne Personen. „Später kann man mit einer VR-Brille dann genau durch die Unfallstelle gehen und es sieht aus, als ob man hier vor Ort wäre und man kann sich auch die gesamte Umgebung anschauen. Ebenfalls können mit dem Scan genaue Unfallmaße erfasst und ausgewertet werden. Dies sind in der Regel wichtige Informationen für einen Gutachter, der gegebenenfalls im Nachgang der Unfallaufnahme noch für ein Unfallrekonstruktionsgutachten von der Staatsanwaltschaft beauftragt wird.Das sind gerichtsverwertbare Informationen“, erklärt der Kfz-Meister vor Ort.
Zum Schluss bleibt den Beamten die traurige Aufgabe, die persönlichen Gegenstände des schwerstverletzten Radfahrers in Tüten sicherzustellen und die Fahrbahn endlich mit Wasser aus einem nahe gelegenen Bach und einem Besen sauber zu schrubben. Nun kann ein Gericht mit den zusammengetragenen Informationen und denen, die der zuständige Sachbearbeiter noch dazu gewinnen wird, eine mögliche Schuldfrage klären und diesen schweren Unfall zumindest juristisch abarbeiten.

Neustes 112-Video

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