BAD BERLEBURG. "Das ist einfach schön. Das war die beste Therapie für mich", Franz-Josef Barth aus Battenberg, vielen Berleburgern viel besser bekannt als "Pizza-Jupp", ist zu Tränen gerührt. Er erinnert sich an die mit schwerste Zeit seines Lebens und den am Ende glücklichen Ausgang – an dem er Dank zweier besonderer Menschen nun so Teil haben kann. Ein Tag Ende September 2021 änderte das Leben des so fröhlichen und weltoffenen Menschen auf dramatische Art und Weise. "Ich habe Dich schon im Himmel gesehen. Ich hörte einen Motor aufheulen und sah Dich durch die Luft fliegen", berichtet er der jungen Frau, die ihm am Tisch gegenüber sitzt und atmet tief durch. "Wenn Du eine Mieze-Katze mit sieben Leben wärst, hättest Du sechs davon auf einen Schlag verschossen", berichtet er weiter. Die Frau am Tisch gegenüber, das ist Diana Tschewerda, vierzig Jahre alt, Mutter zweier Kinder.
Vom Auto erfasst und durch die Luft geflogen - Hubschrauber und Notarztwagen sind im Einsatz
Sie hatte Ende September 2021 einen schweren Verkehrsunfall. Ihr linkes Kreuzband im Knie war abgerissen, der Meniskus zertrümmert und der rechte große Zeh gebrochen. Es war ein sonniger Tag, als die junge Frau als Fußgängerin unterwegs war, und den Zebrastreifen vom Aldi-Markt in Richtung Hit-Markt überqueren wollte. Genau da, wo Pizza-Jupp seit vielen Jahrzehnten zwei Mal in der Woche seine Pizza- und Nudelgerichte verkauft, der Anlaufstelle vieler Berleburger. "Ich wollte mit dem Auto gerade auf den Platz fahren", berichtet Franz-Josef Barth. Er musste dafür nach links ausholen – die Gegenfahrbahn war zu diesem Zeitpunkt frei. Er hatte zunächst links geblinkt und dann gewartet, weil Diana den Zebrastreifen überqueren wollte. Ein Pkw, der hinter dem Pickup fuhr, erkannte dies jedoch nicht rechtzeitig, fuhr weiter und erfasste die junge Mutter beim Überqueren des Zebrastreifens. "Ich sah nur, wie sich die Straße drehte. Ich dachte, der hat mich doch gesehen, der hat doch gewartet. Was ist denn jetzt los?", erinnert sich Diana Tschewerda an den Unfall. Franz-Josef Barth setzte sofort einen Notruf ab, er und weitere Ersthelfer kümmerten sich um Diana. In der Rettungsleitstelle des Kreises Siegen-Wittgenstein wurden der Notarztwagen der DRK Rettungswache Bad Berleburg und der Siegener Rettungshubschrauber Christoph 25 zur Unfallstelle beim Hit-Markt alarmiert. Außerdem erhielt die Polizeiwache Bad Berleburg den Einsatzbefehl zu einem "VU-P", wie es im Fachjargon heißt. Das steht für "Verkehrsunfall Personenschaden". Unter den eingesetzten Polizeibeamten war damals auch zur Unterstützung der Wachschicht der Bezirksdienstbeamte Heiko Pratsch. Sein Einsatz sollte für die weitere Entwicklung dieses Schicksals noch eine entscheidende Rolle spielen. Diana Tschewerda wurde von den Rettungskräften versorgt und anschließend mit dem Hubschrauber in eine Klinik geflogen. "Lebensgefahr sei nicht auszuschließen, hatte die Hubschrauberärztin uns gesagt", erinnert sich Heiko Pratsch.
"Ich war nicht mehr der Alte, ich stand völlig neben mir"
Damals war Heiko Pratsch mit der Unterstützung bei der Unfallaufnahme beschäftigt. "Wir mussten den Hergang rekonstruieren, mit Monobildverfahren, und indem Franz-Josef Barth für die Messungen und die Fotos die Unfallstelle immer wieder mit seinem Fahrzeug abfahren musste", erinnert er sich. "Am Unfallort habe ich nur funktioniert, aber ich stand völlig neben mir", weiß Pizza-Jupp noch heute. "Bereits als ich an diesem Tag nach Hause fuhr, ging es mir sehr schlecht. Mir war übel, ich hatte Schweißausbrüche und Kopfschmerzen. Das wurde immer schlimmer", berichtet er. Der Blutdruck sei dann zu Hause auf einem Wert von 236/140 gewesen und er habe seinen Hausarzt aufgesucht, von dem er ein Notfallpräparat erhalten habe. Aber damit war der Fall für Franz-Josef Barth keinesfalls erledigt. Dem sonst so fröhlichen Pizzabäcker und Musiker ging es immer schlechter. "Ich war nicht mehr der Alte. Ich stand völlig neben mir und war überhaupt nicht mehr bei der Sache. Das war einer der schlimmsten Momente in meinem Leben", erzählt der sympathische Battenberger mit Tränen in den Augen. "Ich konnte nur noch sehr schwer nach Bad Berleburg fahren und hatte Herzrasen, Schweißausbrüche und mir wurde schlecht, wenn ich nach Bad Berleburg kam, oder auf den Verkaufsplatz fuhr. Mein ganzer Körper hat "Hilfe!" geschrien. Wenn Kunden da waren, ging es nur ein wenig besser, aber wenn die wieder weg waren, fing es immer wieder in mir an zu brodeln", berichtet er. "Zwei Tage in der Woche habe ich gar nicht mehr geschafft und ich hatte auch überlegt, überhaupt nicht mehr nach Berleburg zu kommen. Ich habe nicht mehr geschlafen, war in psychologischer Behandlung. Jung, es ging mir einfach nicht mehr gut", erklärt er im Pressegespräch.
Freunde, Kunden und Polizisten sorgen sich um "Jupps" Zustand
Dieser schlechte Zustand von Pizza-Jupp war nicht nur in seinem privaten Umfeld aufgefallen. Auch seine Kunden und Freunde in Bad Berleburg bemerkten das. Vor allem Carsten Mosch. "Wir kennen uns vom ersten Tag an", freut sich Franz-Josef Barth, als er von ihm erzählt. Carsten Mosch wandte sich an Heiko Pratsch, einen der beiden Bezirksdienstbeamten bei der Polizei in Bad Berleburg, der bei dem schweren Unfall im Einsatz war. Bezirksdienstbeamte sind Kontaktbeamte, Bürgerbeamte, die gezielt Ansprechpartner für die Anliegen der Einwohner ihrer Stadt sind und die "immer da sind und einfach gerne Menschen helfen", wie es Heiko Pratsch formuliert. Er war da, als es Pizza-Jupp schlecht ging, und Carsten Mosch ihn um Hilfe für seinen Freund gebeten hatte. Es war ihm eine Herzensangelegenheit, ein Treffen zwischen Pizza-Jupp und Diana Tschewerda zu organisieren, um dieses Leid zu lindern. Denn: Diana Tschewerda ging es schnell wieder verhältnismäßig gut. "Ich kann gehen, ich kann laufen, ich kann mich um meine Kinder kümmern", resümiert die 40-jährige Frau. Trotzdem traf es sie hart: Drei Wochen lang konnte sie ihren Hals gar nicht bewegen, über ein halbes Jahr lang konnte sie nur mit Gehhilfen laufen. Aber: Lebensgefährliche Verletzungen, oder Verletzungen, die eine lebenslange Pflegebedürftigkeit bedeuten würden, gab es zum Glück nicht. "Das wusste ich ja alles nicht. Ich hatte schlimmste Bilder im Kopf. Rollstuhl, Schwerstpflegefall, und so weiter", befürchtete Franz-Josef Barth. "Davor hatte ich unglaubliche Angst. Das war nicht schön."
Polizeibeamter Heiko Pratsch hilft auf dem kurzen Dienstweg und verändert so das Leben von Pizza-Jupp wieder in die richtige Richtung
"Heiko sprach mich bei der Überprüfung einer Corona-Teststelle an, ob ich nicht damals den schweren Unfall gehabt hätte", erinnert sich Diana. Der Polizeibeamte erklärte ihr, wie schlecht es um Pizza-Jupp steht, und dass er überlegt, seinen Verkaufsstandort in Bad Berleburg deshalb aufzugeben. Heiko Pratsch fragte die junge Frau, ob es in Ordnung wäre, wenn er ihren Kontakt an Franz- Josef Barth weitergibt und sie sich einmal persönlich treffen. Für Diana Tschewerda war sofort klar: "Auf jeden Fall, das machen wir. Der Pizza-Jupp gehört doch hier hin, der kann doch nicht einfach nicht mehr kommen. Ich hätte niemals gedacht, dass sich jemand so sehr Sorgen um mich macht, der gar nicht zu meiner Familie gehört". An den Moment, als beide das erste Mal telefonierten und sich zu einem Treffen an seinem Verkaufswagen verabredeten, erinnert sich der Pizzabäcker heute immer noch mit Tränen in den Augen und weicher Stimme. Nur wenige Tage später trafen sich die beiden am Verkaufswagen am Hit-Markt und konnten sich endlich persönlich sehen und unterhalten. "Das war unbeschreiblich", strahlt Franz-Josef Barth und atmet tief durch. Dann ist es kurz still. "Diese Befreiung nach einem halben Jahr, dieser Moment des Treffens und zu sehen, es geht ihr gut – das war, als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte und ich war ein anderer Mensch von jetzt auf gleich. So glücklich war ich", freut sich Franz-Josef Barth. "Bis dahin war ich nur unglücklich. Umso schöner, dass die Schnecke jetzt hier sitzt. Sie hat bei mir eine Pizza-Flat bis zum Ende meiner Karriere", schwärmt Jupp im Pressegespräch. "Er hat sogar extra für mich glutenfreie Pizza besorgt. Jedes Mal, wenn wir bei ihm Pizza essen, freuen sich meine Kinder riesig", schwärmt Diana Tschewerda, während ihre kleine Tochter eine Pizza von Jupps Wagen genießt. Heute treffen sich Franz-Josef und Diana immer mal wieder an seinem Wagen und freuen sich, dass alles doch ein gutes Ende genommen hat. Sie freuen sich, dass Pizza-Jupp wieder gerne an zwei Tagen die Woche nach Bad Berleburg kommt, dass Dianas Vater ihr jedes Jahr am Unfalltag gratuliert, dass Pizza-Jupp im letzten Februar sein 25-jähriges Jubiläum unbeschwert begehen konnte und somit "schon eine Generation in Bad Berleburg hochgefüttert hat", und dass beide das Leben nun noch viel bewusster schätzen und genießen. Nicht zuletzt Dank zweier toller Menschen, die nicht weg geschaut, sondern auf dem kleinen Dienstweg und mit Menschlichkeit ein Happy-End ermöglicht haben. Und der Polizeibeamte Heiko Pratsch? "Ich freue mich jedes Mal so sehr, wenn Diana mir zuwinkt und Jupps Worte wenn wir uns begegnen, sind so voller Dankbarkeit und Wertschätzung, obwohl ich gar nichts Außergewöhnliches gemacht habe."
Anmerkung der Redaktion: Auf dem Foto nach dem Unfall fehlt der Polizeibeamte Heiko Pratsch, der am Morgen des Fototermins mit stärksten Schmerzen ins Krankenhaus gebracht und operiert werden musste. Mittlerweile geht es ihm wieder gut. Heiko hat mit seinem Einsatz nicht nur einem traumatisierten Menschen aus größter Not heraus geholfen, sondern auch das Anliegen von Pizza-Jupps gutem Freund Carsten Mosch sofort ernst genommen und sich der Sache mit Herzblut angenommen. In Vorbereitung dieser Geschichte, die bewusst kurz vor Weihnachten erscheinen sollte, hat sich Heiko unglaublich bemüht. Er hat für uns den Kontakt zu den Unfallbeteiligten hergestellt und unser Anliegen, die Geschichte zu schreiben mitgeteilt und erklärt, um zu wissen, ob die Beteiligten mit einer derartigen Veröffentlichung einverstanden sind. Er hat unseren Text gemeinsam mit "Pizza-Jupp" Franz-Josef Barth und Diana Tschewerda mehr als einmal Korrektur gelesen und uns mit seinem Hintergrundwissen viele wertvolle Dienste erwiesen. Eigentlich wollten wir den Fototermin spontan ins Krankenhaus verlegen, aber haben uns das letztlich aufgrund von Erkältungssymptomen bei einigen nicht getraut und uns dann dagegen entschieden, so dass wir bei einem Foto von Heiko auf eines zurückgreifen mussten, was wir damals bei dem beschriebenen Unfall während der Spurensicherung von ihm gemacht haben. Lieber Heiko: Wir danken Dir ganz herzlich für Deinen Einsatz und Deine Unterstützung, diese schöne Geschichte realisieren zu dürfen und bestellen Dir beste Grüße auch an Deine Familie. Dieser Termin war seit langem einer der schönsten und emotionalsten Termine, den wir wahrnehmen durften. Wir haben bei Franz-Josef Barth, Diana Tschewerda, Heiko Pratsch und Carsten Mosch unfassbare Unterstützung erfahren und sind so ganz tollen und weltoffenen Menschen begegnet. Euch allen herzlichen Dank für die tollen Begegnungen und Eure einzigartige Unterstützung. Wir wünschen Euch und Euren Familien Frohe Weihnachten, viel Gesundheit und viel Freude mit Eurer ganz persönlichen Weihnachtsgeschichte. Auf ganz bald mal wieder, Ihr Lieben.