Herzgesundheit und Herzinfarkt bei Frauen

Mittwoch, 19. November 2025 15:05 geschrieben von  Michael Fränkel
v.l. PD Dr. med. Matthias Klingele, Chefarzt der Inneren Medizin, und Yaseen Omar, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme, in einem Behandlungszimmer der ZNA. v.l. PD Dr. med. Matthias Klingele, Chefarzt der Inneren Medizin, und Yaseen Omar, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme, in einem Behandlungszimmer der ZNA. Foto: Kreiskrankenhaus Frankenberg gGmbH

FRANKENBERG. Im November ruft die Deutsche Herzstiftung regelmäßig zu den Herzwochen auf, um das Auge der Öffentlichkeit auf das Thema Herzgesundheit zu lenken. „Gesunde Gefäße – gesundes Herz: Den Herzinfarkt vermeiden“, heißt das diesjährige Motto.

Wir haben ein Interview mit Herrn Yaseen Omar, Facharzt für Kardiologie und Chefarzt der Zentralen Notaufnahme, sowie Herrn Privatdozent Dr. med. Matthias Klingele, Chefarzt der Inneren Medizin am Kreiskrankenhaus Frankenberg, geführt. Wir nehmen uns der speziellen Fragestellung zum Thema Herzinfarkt und Herzgesundheit bei Frauen an. Die Deutsche Herzstiftung gibt hierzu folgende Einführung.

Herzerkrankungen sind bei beiden Geschlechtern der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen und vorzeitigen Tod. Frauen haben jedoch einen hormonellen Schutz, der das Auftreten dieser Erkrankungen bei ihnen um etwa zehn Jahre nach hinten verlagert. Die koronare Herzkrankheit ist mit 51.000 Sterbefällen (2023) die häufigste Problematik. Ein Drittel dieser Todesfälle geht auf einen Herzinfarkt zurück. Obwohl Frauen prinzipiell eine fast fünf Jahre höhere Lebenserwartung haben, sind ihre Chancen, einen Herzinfarkt zu überleben, geringer.

„Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Frauen wie hormonelle Veränderungen in der Menopause, während oder nach der Schwangerschaft sowie häufiger nicht eindeutige Herzinfarkt-Symptome sind von enormer Bedeutung für das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einer Komplikation bei Frauen. Das Wissen um diese Unterschiede kann von kritischer Bedeutung für ihre Lebensqualität und Lebenserwartung sein“, betont die Kardiologin Prof. Dr. Christiane Tiefenbacher, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung. (Gefahr durch Herzinfarkt: Wie sich Frauen schützen, Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung, Frankfurt, 23.10.205)

Herr Omar, wie häufig sehen Sie in der Notaufnahme Patienten, die mit dem Verdacht auf einen Herzinfarkt eingeliefert werden? Und wie ist das Geschlechterverhältnis bei der Verdachtsdiagnose?

In unserer Zentralen Notaufnahme werden jährlich rund 16.000 Patientinnen und Patienten behandelt. Etwa 5–6 % davon – also rund 800 bis 1.000 Fälle pro Jahr – werden mit dem Verdacht auf einen akuten Herzinfarkt eingeliefert. Das Geschlechterverhältnis zeigt ein weiterhin deutliches Überwiegen männlicher Patienten: Etwa zwei Drittel sind Männer, ein Drittel Frauen.

Sehen Sie häufig Frauen mit unklarer Symptomatik in der Notaufnahme, bei denen erst hier der Verdacht auf einen Herzinfarkt gestellt wird? Wenn ja: Woran liegt das?

Ja, das sehen wir tatsächlich häufig. Gerade bei Frauen äußert sich ein Herzinfarkt oft mit untypischen Beschwerden – zum Beispiel Atemnot, Oberbauchdruck, Übelkeit, Erschöpfung oder Rückenschmerzen, statt der klassischen, stechenden Brustschmerzen. Diese Symptome werden im Alltag häufig anderen Ursachen zugeschrieben, etwa Magenproblemen, Stress oder Kreislaufschwäche. Dadurch suchen viele Patientinnen später ärztliche Hilfe auf, und der Verdacht auf einen Herzinfarkt wird oft erst in der Notaufnahme gestellt – zum Beispiel nach einem auffälligen EKG oder erhöhten Troponinwerten. Ein weiterer Faktor ist, dass Frauen im Durchschnitt älter sind und mehr Begleiterkrankungen haben, was die Symptomatik zusätzlich verschleiern kann.

Das zeigt, wie wichtig es ist, bei unklaren Symptomen auch an einen Herzinfarkt zu denken – unabhängig vom Geschlecht. In unserer Notaufnahme achten wir deshalb gezielt auf diese „leisen“ Warnzeichen und haben diagnostische Abläufe etabliert, um gerade bei Frauen keine Zeit zu verlieren.

Gibt es in der Notaufnahme denn auch Unterschiede in der Diagnostik und Behandlung von Frauen und Männern mit Verdacht auf Herzinfarkt?

Grundsätzlich gelten bei Verdacht auf Herzinfarkt die gleichen diagnostischen und therapeutischen Standards für Frauen und Männer – insbesondere, wenn es um EKG, Troponinbestimmung, Sauerstoffgabe, Blutdruckstabilisierung und die rasche Entscheidung über Herzkatheter oder konservative Therapie geht. Trotzdem sehen wir in der Praxis geschlechtsspezifische Unterschiede: Bei Frauen sind die Symptome oft weniger typisch, und der Troponinanstieg kann verzögert oder geringer ausgeprägt sein. Deshalb ist es wichtig, wiederholte Troponinmessungen und eine engmaschige klinische Beurteilung vorzunehmen. Moderne, hochsensitive Troponintests helfen uns, auch subtile Verläufe früh zu erkennen.

In der Behandlung unterscheiden sich Frauen vor allem durch häufigeres höheres Alter, kleinere Koronargefäße und mehr Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes. Das erfordert oft individuell angepasste Therapiestrategien und eine besonders sorgfältige Medikamentenauswahl. Insgesamt achten wir in der Notaufnahme sehr bewusst auf diese Unterschiede. Ziel ist, dass jede Patientin und jeder Patient – unabhängig vom Geschlecht – dieselbe schnelle, präzise und leitliniengerechte Behandlung erhält.

Herr Dr. Klingele, Herzerkrankungen beschäftigen ja nicht nur die Notaufnahme. Können Sie uns etwas über die geschlechterspezifischen Unterschiede der Herzpatienten auf Ihrer Station sagen?

Frauen und Männer sind gleichermaßen von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems betroffen. Prinzipiell sind die Funktionsweise und der Aufbau des Herzens bei beiden Geschlechtern gleich. Das Herz eines Mannes ist etwas größer als das der Frau, weshalb es pro Herzschlag mehr Blut pumpt als das der Frau. Das Frauenherz gleicht dies durch eine höhere Anzahl von Schlägen pro Minute aus (Ruhepuls Mann: ca. 60/min, Frau: ca. 70/min).

Für Frauen und Männer gelten gleichermaßen die bekannten Risikofaktoren Rauchen, Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte, Übergewicht, Diabetes, Stress und mangelnde Bewegung. Vor der Menopause besteht eine gewisse Schutzfunktion der weiblichen Geschlechtshormone, da sie blutdrucksenkend wirken und die Gefäße elastisch halten. Frauenspezifische Risikofaktoren sind Schwangerschafts-Bluthochdruck oder Präeklampsie, aber auch eine frühe Menopause. Dies sind Risikofaktoren, im späteren Alter Bluthochdruck zu entwickeln, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden.

Was raten Sie Frauen auf medizinischer Ebene, um ihre Herz- und Gefäßgesundheit möglichst lange zu erhalten?

Die vorgenannten Risikofaktoren wie Rauchen oder Bewegungsmangel kann jeder in einem gewissen Umfang beeinflussen. Allerdings gibt es auch genetische Ursachen für Gefäßverkalkung, Bluthochdruck oder hohe Blutfettwerte. Daher können auch schlanke, sportliche Nichtraucherinnen diese entwickeln.

Eine Gefäßverkalkung, hohe Blutfette oder ein hoher Blutdruck rufen lange Zeit keine Symptome hervor. Daher sollten diese Faktoren mittels regelmäßiger Check-ups, beispielsweise beim Hausarzt, kontrolliert werden. Diese werden ab dem Alter von 35–40 Jahren empfohlen. Bei familiärer Vorbelastung für Herzerkrankungen kann darüber hinaus auch eine Untersuchung beim Kardiologen sinnvoll sein, um Unregelmäßigkeiten der Herzfunktion oder Durchblutungsstörungen früh erkennen zu können. Ist eine medikamentöse Unterstützung notwendig, kommt es auf die verlässliche Einnahme und regelmäßige Verlaufskontrolle an.

Und was kann Frau selbst in die Hand nehmen, um ihr Risiko zu senken?

Risikofaktoren, die Frau beeinflussen kann, sollte sie auch versuchen, positiv zu beeinflussen: Eine gesunde Lebensführung steht an oberster Stelle, um Herz und Gefäße zu schonen. Verzichten Sie auf Nikotin, trinken Sie Alkohol nur in Maßen, ernähren Sie sich abwechslungsreich und gesund, vermeiden Sie Übergewicht und bewegen Sie sich regelmäßig. Stress lässt sich im Alltag selten ganz vermeiden. Daher sind Strategien zur Stressbewältigung und zum Ausgleich sehr wichtig. Ob ein gutes Gespräch mit der Freundin, ein Waldspaziergang oder Yoga – jede Frau ist anders und kann ausprobieren, was sie am besten entspannt.

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