42 Jahre Polizeidienst, 15 Jahre Wachleiter - Führungswechsel bei der Polizei in Bad Berleburg

Donnerstag, 25. November 2021 23:22 geschrieben von  Matthias Böhl
Martin Kroh (links) löst ab Dienstag Bernd Dickel nach 15 Jahren als Wachleiter in der Polizeiwache Bad Berleburg ab. Martin Kroh (links) löst ab Dienstag Bernd Dickel nach 15 Jahren als Wachleiter in der Polizeiwache Bad Berleburg ab. Fotos: Matthias Böhl, 112-Magazin

BAD BERLEBURG. Ein bisschen traurig war ich schon, als ich heute Mittag zum Pressetermin in die Polizeiwache gegangen bin. Der Anlass war aber eigentlich ein schöner Anlass.

Vor der Tür treffe ich einen Kollegen einer Lokalzeitung. „Willst Du auch zum Onkel Dickel?“, ruft er mir zu. Ja, das will ich.

Bernd Dickel, seit 15 Jahren der Wachleiter der Polizeiwache in seiner Bad Berleburger Heimat, hat uns eingeladen. Die letzten Tage seiner Dienstzeit sind angebrochen. Bernd Dickel geht mit 60 Jahren und zwei Tagen am Dienstag in den Ruhestand.

Heute hat er es uns gemeinsam mit seinen Kollegen und der Pressestelle ermöglicht, ihn zu besuchen und zu befragen. Es war unser Wunsch, diesen besonderen Termin wahrnehmen zu dürfen.

Ein Blick in vertraute Gesichter: Mein Kollege Lars-Peter ist bereits da, und Bernd. Der Hausherr, der mich in „seiner“ Wache schon so oft willkommen geheißen hat. Und Blick in ein neues Gesicht: Martin Kroh, den ich bereits kennen lernen durfte. Er wird Bernds Nachfolge antreten. Bisher war der gebürtige Berleburger ein Kripomann: „Ich bin K-sozialisiert“, lacht er. Erst war er in Bonn und an der Fachhochschule Köln tätig und seit 1995 in Siegen im Einsatz. Lange Jahre als Todesermittler und Brandermittler und „dann bin ich in den Führungsstab abgerutscht“. Nun tritt er Bernds Nachfolge in seiner Heimat an. „Gut, dass es wieder ein Wittgensteiner ist“, sind sich alle einig.

Einweisung und Verabschiedung

In den letzen Tagen sind beide in Wittgenstein unterwegs gewesen, um Martin in die neuen Aufgabenbereiche einzuweisen, und den Menschen vorzustellen. Aber auch, um Bernd zu verabschieden. Von all seinen Weggefährten und Partnern, und sicher mit den Jahren auch von vielen Freunden. Die Bürgermeister, die Ordnungsämter, die Feuerwehren, THW, Malteser, DRK und Rettungsdienst – mit ihnen allen lobt Bernd im Gespräch die besonders gute und einzigartige Zusammenarbeit. „Das müsst ihr unbedingt erwähnen. Das ist etwas Besonderes und ist mir ganz, ganz wichtig“, unterstreicht er. „Nach den Kraftfahrerbelehrungen für die Feuerwehren, da haben wir oft noch zwei Stunden gemeinsam zusammen gesessen und sind richtig toll ins Gespräch gekommen“, schwärmt Bernd. Das wird ihm fehlen. Aber vor allem wird ihm auch der Umgang mit seinen Kollegen fehlen: „Dass man morgens rein kommt und sprechen kann, wie die Nacht für die Kollegen war, dass man erst mal rum flackst – das wird mir fehlen“, gibt er zu.

Sein Werdegang war lang bei der Polizei: In 1979, vor 42 Jahren, begann er seine Ausbildung in Stukenbrock, danach verschlug es ihn einige Jahre zur Polizei nach Köln, an die Fachhochschule nach Dortmund und dann nach Gummersbach. Danach, von 1991 bis 2006 tat Bernd Dienst in Siegen als Dienstgruppenleiter. Er strahlt „Das war die schönste Zeit in meinem Leben“, sagt er, als er uns von seinen Erlebnissen und Eindrücken aus dieser Zeit erzählt: „Wisst Ihr, wenn man gemeinsam auf der Straße in gefährlichen Situationen zusammengestanden hat, dann entstehen da ganz enge Bindungen und Freundschaften. Wir sind zusammen in Urlaub gefahren, gemeinsam weggefahren und das war einfach immer toll“, erinnert er sich an diese für ihn wunderschöne Zeit. Diese Zeit endete 2006. Nun wurde Bernd in seine Heimat berufen. Er trat hier die Nachfolge von Richard Feige an, der damals in den Ruhestand verabschiedet wurde.

„Das war eine Umstellung. Mir hat das Adrenalin im Blut gefehlt. Es gibt ja auch positiven Stress“, erklärt Bernd Dickel uns im Gespräch und schildert Situationen, wie seine Dienstgruppe im Nachtdienst einen Kindermörder gefasst hat, oder sie Drogendealer festnehmen konnten.

Einsätze, auch wie in der Großstadt

Es sei aber nicht so, dass es in den ländlichen Bereichen keine schweren Einsätze gegeben habe. „Ihr seid ja alle von der schreibenden Zunft und bekommt es mit. Hier gibt es auch Waffensammler, Gaslecks, Zugriffe, oder Morde – Ihr berichtet ja auch darüber“, erklärte er uns. An einen dieser Einsätze, bei dem ein flüchtiger Waffenhändler in Erndtebrück gefasst und durch Bernd zu Boden gebracht wurde, kann ich mich selbst noch gut erinnern, da ich damals als Berichterstatter sehr schnell vor Ort war und den Zugriff fotografieren konnte. Da konnte ich nachvollziehen, was Bernd meinte, als er vom „Adrenalin im Blut“ sprach. All dies habe er ja in dieser Form fortan nur noch selten gehabt. Als Wachleiter sei man nicht mehr oft im Streifendienst, was ihm aber immer sehr große Freude bereitet habe.

„Es gab hier alles, was es in der Großstadt auch gab. Nur nicht so oft“, macht Bernd deutlich. Besonders der oft beschrittene „kurze Dienstweg“ mit vielen Wittgensteiner Charaktere bleibt ihm in positiver Erinnerung. „Wachleiter bist Du rund um die Uhr“, versichert er uns berichtet, wie er im Urlaub am Strand zwei, drei Mal angerufen wurde, weil ein Bürger ein Anliegen an ihn hatte. Mit strahlenden Augen erzählt Bernd uns von der „Fleischwurst-Streife“, die er in Wittgenstein so gerne gemacht hatte: „Das waren Sonderkontrollen mit den Bezirksdienstbeamten und dem Wachleiter und am Ende solcher Einsätze gab es immer Fleischwurst“, erinnert er sich gerne zurück.

Er berichtet uns aber auch von weniger schönen Anlässen, zu denen er als Wachleiter ausrücken musste: „Wenn man hier in Wittgenstein Todesnachrichten überbringen musste, dann kannte ich die Leute oft. In Siegen war sowas anonymer, da konnte man nach dem Dienst mit den Kollegen in den Keller gehen und das besprechen und ein wenig abschütteln und dann war es wieder ok. Hier in Wittgenstein kennt man dann plötzlich viele dieser Leute“, macht er klar. „Und wer den höchsten Dienstgrad hat an so einer Einsatzstelle, der muss das halt auch machen“.

Und dennoch möchte Bernd Dickel keine Minute seiner Wachleiterzeit in Wittgenstein missen. „Es gibt sicher keine zehn Tage an denen ich nicht gerne zur Arbeit gegangen bin“, kann er freien Herzens behaupten. Dass er 2006 in seine Heimat kommen konnte, war für ihn ein Glücksfall: „Ich war allein erziehender Papa, hatte ein Haus gekauft und war Fußballtrainer im Edertal, als das Angebot kam, in der Heimat zu arbeiten“.

Wie sieht er dem Dienstag entgegen, seinem letzten Arbeitstag in „seiner“ Wache. Das möchte ich von ihm wissen. „Am Anfang habe ich gedacht, es wäre problematischer. Aber ich hatte ja noch ganz viel Resturlaub und Überstunden, sodass ich schon rund vier Monate frei hatte“, erzählt Bernd. Und dann: „Aber heute bin ich wahrscheinlich zum letzten Mal mit einem Streifenwagen gefahren. Und gerade habe ich mit Martin meine Waffe leer gemacht und das war wahrscheinlich das letzte Mal in meinem Leben“. „Ich werde am Dienstag schon sicher eine Träne verdrücken, wenn ich hier raus gehe. Da bin ich sicher“, gesteht uns Bernd.

Und das Beste erzählt er uns zum Schluss, denn es gibt ihn: Diesen einen unvergessenen Einsatz in 42 Dienstjahren, nachdem ihn einer der Kollegen fragt. „Das war in Siegen. Ich war an Heiligabend morgens früh kurz vor Ende der Nachtschicht mit dem Streifenwagen unterwegs nach Geisweid, um die Brötchenbesellung für den Frühdienst abzuholen. Da bekam ich einen Einsatz zu einer Brücke, dort sei eine Babyleiche gefunden worden“. Bernd war nach wenigen Minuten vor Ort und Passanten zeigten ihm eine große Tasche in einem Gebüsch. „Ich war der erste und konnte ja nicht auf weitere Wagen warten, ich musste ja nun in diese Tasche schauen. Ganz vorsichtig habe ich die geöffnet, um nicht so viel von diesem schlimmen Anblick sehen zu müssen“, schildert Bernd uns. „Und dann sah ich diese kleine Hand und die Finger bewegten sich“. Bernd strahlt und berichtet weiter: „Dann habe ich das kleine Baby ganz fest in meinen Parka gewickelt und an mich gehalten und den Streifenwagen richtig aufgeheizt“. Die Freude in seinem Gesicht ist ihm immer noch anzumerken. „Aaaach, da kriege ich heute noch Gänsehaut, wenn ich das erzähle. Und das noch an einem Heiligabend“, berichtet er. Leider wisse er aber nicht, was dann hinterher aus diesem Fall geworden sei. Das habe er bis heute nicht erfahren können.

Am Dienstagmorgen wird Bernd zum letzten Mal zum Dienst in der Bad Berleburger Wache erscheinen, sein Büro betreten und es dann endgültig an Martin Kroh übergeben. Dann wird er offiziell durch die Siegener Führungsstelle seine Verabschiedung erhalten und in den Ruhestand verabschiedet.

 

 Persönlicher Dank

Und zum Schluss sei es mir erlaubt, hier noch einmal ein paar persönliche Worte über Bernd los zu werden: Als Bernd vor 15 Jahren in Bad Berleburg als Wachleiter anfing, da kannte ich ihn nicht persönlich. Obwohl er genau wie ich, gebürtiger Wemlighäuser ist. Ich wusste schon, wo sein Elternhaus steht, kannte auch seine Eltern und Geschwister – aber ihn persönlich hatte ich bisher nie bewusst kennen gelernt. An einem seiner ersten Diensttage wurde ich in sein Büro gebeten. Damals war ich ein wenig aufgeregt. Bernd erzählte mir zunächst, dass er mich bereits kennt und erzählte mir aus unserem heimatlichen Dorf. Und er kenne mich, weil er wüsste, dass ich oft über die polizeiliche Arbeit berichte und viele Fotos mache. Er bat mich, dass diese tolle Arbeit genau so weitergehen solle. Da war ich natürlich platt, dass mir ein Wachleiter einer Polizeiwache so etwas sagt.

In den folgenden 15 Jahren durfte ich mit Bernd viele unvergessliche Momente erleben, wertvolle und tiefgründige Gespräche führen, unvorstellbare Unterstützung in unterschiedlichsten Projekten erfahren. Bis ins Innenministerium hatte er geschrieben, als es um das Projekt „Wer soll Dich nach der Party fahren?“ ging, hat Streifenwagen und freiwilliges Personal in Abstimmung mit der Pressestelle zur  Verfügung gestellt, um Fotos von Einsatzsituationen zu ermöglichen. Er hat Polizeibeamten, die neu nach Bad Berleburg kamen, immer am Anfang von meinen Fotos berichtet, die auch in der Wache hängen dürfen und ihnen erklärt was ich mache, was zur Folge hatte, dass mich immer schon alle Polizeibeamten kannten, wenn ich zu einem Einsatzort kam. Vor allem hat Bernd mit seinen tollen Kollegen einem meiner besten Freunde, als dieser todkrank war, einen seiner letzten Wünsche erfüllt. Das und viele Dinge mehr werde ich niemals vergessen und kann nur sagen: Tausenddank, lieber Bernd!

Zuletzt bearbeitet am Donnerstag, 25. November 2021 23:49

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