GÖTTINGEN. Am Donnerstagabend ereignete sich ein spektakulärer Unfall in Göttingen, der zum Glück ohne Verletzte ausging: Ein spanischer Sattelzug krachte in eine Hauswand und hinterließ dort ein gut zwei Quadratmeter großes Loch. Den Schaden an Sattelzug und Haus beziffert die Polizei auf rund 170.000 Euro.
Gegen 21.40 Uhr war der 30-jährige Fahrer mit seinem Lastwagen in Richtung Wetter unterwegs. Auf einem geraden Stück der Frankenberger Straße kam der Spanier offenbar aufgrund von Unachtsamkeit nach rechts von der Fahrbahn ab und krachte in die Wand des Fachwerkhauses.
Der glücklicherweise unbeladene LKW prallte von der Fassade ab zurück auf die Fahrbahn, wo er nach wenigen Metern zum Stehen kam. „Warum der Fahrer von der Straße abkam ist noch völlig unklar“, erklärt Polizeioberkommissar Paul Heidenreich von der Polizei Marburg. Ein Zeuge, der seit mehreren Kilometern hinter dem Sattelschlepper hergefahren sei, habe „keine auffällige Fahrweise“ festgestellt. „Eine Überprüfung des Fahrtenschreibers hat auch keine Überschreitung der Lenkzeiten zutage gebracht. Gott sei Dank ist es zu keinen Verletzten gekommen.“
Ein Grund dafür: Die Bewohner des Hauses befinden sich derzeit im Urlaub. Und der LKW-Fahrer hatte laut Heidenreich „schlichtweg Glück, dass sein Auflieger leer war. Denn sonst hätte wesentlich mehr Kraft auf das Führerhaus eingewirkt, der Mann wäre wohl eingeklemmt worden.“ So kam er mit einem Schock davon.
Die Unfallaufnahme gestaltete sich für die Polizei zunächst schwierig. Denn der Fahrer sprach kein Deutsch. Doch den Beamten kam ebenfalls ein glücklicher Zufall zu Hilfe: In dem langen Stau, der sich durch die Straßensperrung gebildet hatte, befand sich auch eine Spanierin. Sie half kurzfristig als „Dolmetscherin“ aus.
Derweil waren Experten des Technischen Hilfswerks eingetroffen, die den Schaden am Haus begutachteten. Denn der Lastwagen hatte sowohl ein Stück des Sandstein-Fundaments als auch einige tragende Balken des Fachwerkhauses herausgerissen. So war die Statik gefährdet – die Spezialisten mussten das Haus abstützen.
„Wir werden das Haus zunächst einmal sichern, indem wir den unteren Querbalken und den Sandsteinsockel zunächst unterfüttern, um wieder Stabilität in die Fassade zu bekommen“, erläuterte Ingenieur Jojakim Sames. Danach werde geprüft, ob man das Haus mit so genannten Ankerstäben weiter verspannen müsse. „Es ist ein Riesenvorteil, dass es sich um ein Fachwerkhaus handelt. Bei einem normalen Haus hätte wesentlich mehr auf der Straße gelegen“, so Sames. Denn die Balkenkonstruktion trage einen großen Teil der Lasten in sich. „Daher ist das Haus nicht akut einsturzgefährdet.“ Man müsse jedoch massiv nachsichern, „damit nicht noch irgendwas nachkommt“, so der Ingenieur.
Zudem wurde die Feuerwehr Lahntal mittels Sirene alarmiert. Denn am Lastwagen traten Betriebsstoffe aus. Außerdem war die mit Paletten beladene Unterkonstruktion des Sattelschleppers so stark beschädigt, dass sie die Reifen verkeilte und so ein Abschleppen unmöglich machten. Mit der Rettungsschere trennten die Kameraden die Teile ab, sodass der Anhänger geborgen werden konnte.
Während der Arbeiten musste die Bundesstraße gesperrt werden, was zu Teils langen Staus führte. Das THW war bis tief in die Nacht im Einsatz. Das Haus wurde bis zur Begutachtung durch einen Sachverständigen komplett gesperrt. (as)