1965: Haft und fünf Jahre "Karte" weg für Alkoholfahrt

Sonntag, 29. November 2015 17:54 geschrieben von  Migration

WALDECK-FRANKENBERG. Häufig berichtet 112-magazin.de über Unfälle unter Alkoholeinfluss, die für die Promillefahrer ein Strafverfahren und eine Führerscheinsperre nach sich ziehen. Nicht anders verhielt sich schon vor 50 Jahren so mancher Verkehrsteilnehmer, wie ein Blick in die Tageszeitung aus dem Jahr 1965 beweist. Die Strafen waren damals jedoch drakonischer...

So berichtet die WLZ in ihrer Ausgabe vom 26. November 1965 über Gerichtsverhandlungen, in denen sich ein Mann und eine Frau vor dem Richter verantworten mussten. Wir geben den Bericht aus der Heimatzeitung im Wortlaut wieder:

Zum dritten Mal betrunken am Steuer
Vier Monate Gefängnis und Führerscheinentzug auf fünf Jahre für einen unbelehrbaren Kraftfahrer
BAD WILDUNGEN. Vor dem Wildunger Amtsgericht hatte sich gestern ein Kraftfahrer aus Odershausen zu verantworten, dessen Konto mit acht Verkehrsstraftaten belastet war. Wegen Trunkenheit am Steuer war er bereits früher zu zwei und drei Monaten Gefängnis, aber auch zur Einziehung seines Führerscheins für insgesamt fünf Jahre verurteilt worden. Aus all diesen Vorkommnissen scheint er keine Lehre gezogen zu haben, denn wegen des gleichen Delikts stand er gestern erneut vor dem Richter.

Im Laufe des Sommers wollte er von Wildungen nach Kassel zu seiner Frau fahren, hielt aber in Mandern auf der Brücke an, weil er angeblich der Meinung war, daß er nicht fahrtüchtig sei. Nun, zumindest diese Einsicht ist richtig gewesen, denn wie sich später herausstellte, betrug an diesem Tage der Blut-Alkoholgehalt 2,5 Promille. Um diesmal einer erneuten "Trunkenheit am Steuer" vorzubeugen, hielt er es für ratsam, in einen Nebenweg zu fahren und dort eine Stunde zu schlafen. Dann aber bestieg er wieder seinen Wagen, um die Fahrt fortzusetzen. Schon nach 50 Metern, so sagte er vor den Richter aus, sei ihm jedoch klar geworden, daß er noch immer nicht fahrtüchtig sei. Er hielt genau auf einer Brücke an, und als er versuchte, hier zu drehen, durchbrach er die steinerne Brückenmauer und hing mit der Hälfte seines Wagens über dem Bach. Dann verließ der wackere Fahrer sein Auto und hielt vorüberfahrende Kraftfahrer an, mit der Bitte ihm zu helfen.

Er stürzte in den Graben
Es waren mehrere Wildunger Fahrer, aber auch Soldaten aus Fritzlar, die er um Beistand bat. Aber allen strömte eine solche "Fahne" entgegen, daß sie es für richtig hielten, die Polizei zu benachrichtigen. Ehe sie sich aber versehen hatten, war der Fahrer plötzlich von der Bildfläche verschwunden. - Nicht allzuweit entfernt fand man ihn und zwar in einem Graben, in den er in seiner Trunkenheit gestürzt war. Hierbei zog er sich eine Gehirnerschütterung und mehrere Beulen am Kopf zu, so daß er zunächst in das Krankenhaus gebracht werden mußte. Nach zwei Tagen konnte er entlassen werden. Seine Auslassung, dass er beim Verlassen des über die Brücke hängenden Wagens gestürzt sei, nahm ihm der Amtsrichter nicht ab. Der Tatverhalt war so klar, daß eine eine harte Bestrafung angemessen erschien. Der Amtsrichter verurteilte ihn zu vier Monaten Gefängnis und einem erneuten Führerscheinentzug für weitere fünf Jahre.

Frauen - auch vor dem Richter gleichberechtigt
In der zweiten Verhandlung stand eine Frau aus Bad Wildungen ebenfalls wegen Trunkenheit am Steuer vor dem Richter. Sie war im Sommer in einer Gastwirtschaft am Warteköppel gewesen und wollte von dort durch die Bubenhäuser Straße in Richtung Schlachthofstraße zum Bahnhof fahren. In der Schlachthofstraße kam sie jedoch von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen abgesägten Baumstumpf, wobei der Wagen beschädigt wurde. Wie sich herausstellte, hatte sich auf dieser Fahrt einen Alkoholgehalt von 2,5 Promille. Vor dem Amtsrichter sagte die Angeklagte aus, den starken Alkoholkonsum hätte sie in den zwei vorhergehenden Tagen gehabt, und zwar bei fast ununterbrochenen Feierlichkeiten. Am Tage des Unfalls jedoch habe sie lediglich vier Glas Bier getrunken. Nun, die Blutuntersuchung hatte eindeutig ein anderes Ergebnis gezeigt. Der Richter vertrat den Standpunkt, daß die Gleichberechtigung der Frau natürlich auch dann gelte, wenn es um Trunkenheit am Steuer gehe. Er verurteilte die Angeklagte zu zwei Wochen Gefängnis und zu einem sechsmonatigen Führerscheinentzug unter Anrechnung der bisherigen vorläufigen Entziehung. (...) Zitat Ende

Ausreden früher wie heute
Waren in den 60er Jahren die Folgen von Fahrten unter Alkoholeinfluss drastischer - heutzutage wandert niemand mehr für eine Trunkenheitsfahrt ins Gefängnis -, so zeigt der Artikel aus der Waldeckischen Landeszeitung aus dem Jahr 1965 doch eines: Das Problem "Alkohol am Steuer" beschäftigte damals wie heute Polizei und Gerichte. Und auch um Ausreden waren und sind die Beschuldigten 1965 oder 50 Jahre später nicht verlegen. Glaubt man Zeitzeugen, so war es früher aber offenbar verbreiteter, sich alkoholisiert ans Steuer zu setzen. Und wie zufällig stand in der WLZ vom 26.11.1965 neben dem Artikel über die Gerichtsverhandlungen bezeichnenderweise eine Alkoholwerbung: "Am liebsten Martini-Bier. Ein Meistertrunk"...

Quelle: Waldeckische Landeszeitung. Dank gilt dem Korbacher Stadtarchiv

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Zuletzt bearbeitet am Sonntag, 29. November 2015 20:21

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