Frauenschuh in Waldeck - Frankenberg

Sonntag, 29. Januar 2012 09:48 geschrieben von  Migration

 

Der Frauenschuh wird immer seltener

Sie kann sich mit den schönsten Orchideen der Welt messen und wächst doch nicht im tropischen Regenwald, sondern unter unseren vertrauten Rotbuchen. Die heimische Orchidee Frauenschuh (Cypripedium calceolus L.) besitzt eine der größten Einzelblüten, die heimische Pflanzen in Mitteleuropa hervorbringen können: Bis zu 8 cm in strahlendem Gelb und Rot.

Die schuhförmige Lippe verlieh ihr ihre Namen. Als Schuh für Prinzessinnen und Elfenwesen entführt sie die Menschen in eine Zauberwelt

Ihre Schönheit wurde der Pflanze bereits oft zum Verhängnis. Gepflückt, gesammelt, ausgegraben und in privaten Vorgärten zum Sterben verurteilt wurde die Orchidee vielerorts zu Tode geliebt. So ist die Art zur seltenen Rarität geworden und gilt in Deutschland als stark gefährdet. Auch in Hessen ist der Frauenschuh schon an vielen Stellen ausgestorben. In der Roten Liste des Bundeslandes wird er in der Kategorie 2 "stark gefährdet" aufgeführt.

Europaweit sind die Bestände so stark zurückgegangen, dass Cypripedium calceolus seit 1992 in den Anhängen II und IV der Europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-RL) geführt wird. Seither besteht in der ganzen EU die rechtliche Verpflichtung, die Art bzw. deren Populationen in einem "günstigen Erhaltungszustand" zu bewahren und Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Mit dem Aufbau des Europäischen Schutzgebiets-Netzes NATURA 2000 erhält der Frauenschuh jetzt eine neue Chance.

Biologie und Ökologie: Die Kesselfallenblume
Der Frauenschuh wird 10 - 50 cm hoch und blüht von Mai bis Juni/Juli. Mit einem Durchmesser von bis zu 8 cm zählt der "Schuh" zu den größten Blüten mitteleuropäischer Pflanzen. Doch der goldgelbe nach Aprikose riechende "Schuh" ist eine trickreiche Apparatur zur Bestäubung der Blüten.

Der Mechanismus - eine Kesselfalle: Durch Farbe und Glanz der Blüte werden Insekten angelockt (vor allem solitär lebende Erdbienen). Sie fliegen zur Öffnung des "Schuhs" - und geraten in eine Gleitfalle: ein Ölfilm macht die Ränder extrem glatt. Insekten, die hier landen wollen, stürzen unweigerlich ins Innere ab. Immerhin erhalten sie dort schmackhafte Safthaare als Stärkung angeboten.

Dann kommt die Arbeit: die Innenwände sind ebenfalls so glatt, dass die gefangenen Erdbienen sich, um dem Kessel zu entrinnen, durch eine schmale, seitliche Öffnung in der Nähe des Lippenansatzes zwängen müssen. Dabei wird zuerst die von anderen Blüten mitgebrachte Pollenmasse an der Narbe abgestreift und anschließend neuer Pollen aufgenommen. Eine Selbstbestäubung wird so verhindert.

Nun zeigt die Blume den Bienen den "Ausgang" mit einem Fenster aus klarem Gewebe hinter dem Bestäubungsapparat. Da Insekten zum Licht ans Fenster streben, finden sie den Ausweg bald. Untersuchungen haben gezeigt, dass nur wenige Insekten den gleichen Fehler ein zweites Mal machen; darauf aber ist der Frauenschuh für eine Bestäubung angewiesen. Einige wenige Unbelehrbare genügen jedoch: Nach einer einzigen Bestäubung entsteht eine Frucht mit unzähligen winzigen Samen. Die Samen sind so winzig, dass sie als Ballonflieger eine Sinkgeschwindigkeit von 25 cm/sec. besitzen und damit 10 km fliegen können.

Lebensräume, wo früher der Ozean in Hessen zuhause war ...
Hauptlebensraum der Art ist der Kalk-Buchenwald, auch Orchideen-Buchenwald genannt. Besonders in Nord- und Osthessen existieren Gebiete mit Muschelkalk im Untergrund. Der Kalk entstand vor Jahrmillionen aus Ablagerungen vielfältigen Lebens an Meeresküsten in den frühen Zeiten Hessens. Heute bildet er die Grundlage für den basenreichen Boden, der eine typische und prächtige Flora hervorbringt. So teilt sich der Frauenschuh den Lebensraum mit vielen weiteren Vertretern der Orchideenfamilie, wie Rotes und Weißes Waldvöglein, Purpur-Knabenkraut, Vogel-Nestwurz, Braunrote Sitter u.a.

Der Frauenschuh wächst nicht im Dunkeln, sondern nur in abwechslungsreich strukturierten Wäldern mit vielen lichten Stellen. Oft sind es Hanglagen, gern Südhänge, wo die Art bevorzugt wächst. Nimmt die Beschattung zu, blüht der Frauenschuh zunächst nicht mehr. Dann werden die Pflanzen immer kleiner, um schließlich ganz zu verschwinden.

Aus diesem Grund werden in Hessen oft nur Einzelpflanzen vorgefunden. Die Mehrzahl der Vorkommen weist zwischen 5 und 25 Individuen auf, allerdings gibt es auch Vorkommen mit über hundert Einzelpflanzen.

 

Verbreitung in Hessen
Entsprechend der Muschelkalk-Vorkommen konzentriert sich die Verbreitung der seltenen Art auf die ost- und nordhessischen Landkreise Fulda, Hersfeld-Rotenburg, Werra-Meißner, Kassel und Waldeck-Frankenberg. Kleinere Vorkommen existieren noch im Main-Kinzig-Kreis, im Lahn-Dill-Kreis und im Hessischen Süden an der Bergstraße. Verschollen und wahrscheinlich ausgestorben sind ehemalige Vorkommen im Rheingau, im Odenwaldkreis und dessen Grenzbereich zum Landkreis Darmstadt-Dieburg. Auch in Mittelhessen konnten in den letzten Jahrzehnten keine Frauenschuh-Vorkommen mehr nachgewiesen werden.

 

Gefährdungsfaktoren: Ausgraben und veränderte Waldnutzung
Der Rückgang der Bestände ist dramatisch. War die Art vor 1975 noch in 86 von rund 750 hessischen Planquadraten vorhanden, konnte die Art bereits 1983 nur noch in 40 Quadranten bestätigt werden. In der Zeit von 1983 bis 1996 erfolgte eine nochmalige Halbierung der Vorkommen auf rund 20 Planquadrate.
Es sind vor allem zwei Haupt-Gefährdungsfaktoren, die dem Frauenschuh in Hessen schwer zu schaffen machen: Früher war der attraktive Frauenschuh eine beliebte Gartenpflanze. Seine Überlebenschancen im Garten sind jedoch gering. Daher musste für regelmäßigen Nachschub gesorgt werden. Dies führte dazu, dass massenweise Pflanzen ausgegraben wurden. Zahlreiche Vorkommen wurden so in den letzten Jahrzehnten aus Liebhaberei ausgelöscht. Viele Exemplare fristeten für kurze Zeit noch ein trauriges Dasein in Gärten bis sie schließlich abstarben.

Als Pflanze mit spezifischen Lebensbedürfnissen und sehr speziellen Ansprüchen an Boden, Licht und Nährstoffe kommt sie mit falschen Bodenverhältnissen und ohne den für viele Orchideen lebenswichtigen Mykorrhiza-Partner (ein Pilz, mit dem die Pflanze in Symbiose lebt) nicht zurecht. So ist sie abseits ihrer natürlichen Standorte kaum überlebensfähig.

Trotz strengster Schutzbestimmungen ist der Frauenschuh in Hessen auch heute noch die Orchidee, die aufgrund ihrer Schönheit durch Abpflücken und Ausgraben am stärksten gefährdet ist. Leider stören auch strikte Verbote manche Pflanzenliebhaber nicht, die bedrohte Art selbst an ihren letzten Refugien noch zu dezimieren. Naturschutzbehörden und Artenschützer halten daher die wenigen verbliebenen Standorte der Orchidee streng geheim.

Kaum weniger schwer macht dem Frauenschuh der Verlust an Lebensraum zu schaffen. Als Waldart sollte er bei uns eigentlich hinreichend große Biotope haben. Doch der Frauenschuh ist angepasst an die lichten Wälder vergangener Jahrhunderte. Änderungen der Waldnutzung, besonders das lange praktizierte Aufforsten mit schnellwüchsigen, sehr dicht gepflanzten Monokulturen aus Fichten und Kiefern ändern den Waldcharakter völlig.

Selbst extreme Standorte, an denen der natürliche Wald sehr licht ist und wo Frauenschuhe sich gern ansiedeln, wurden vielerorts mit trockenheits-robusten Schwarzkiefern aufgeforstet.

So hängt der drastische Rückgang der Art vor allem auch mit dem Niedergang der traditionellen Waldbewirtschaftungsform der "Ausschlagwälder" zusammen.

Orchideenfreundliche Nieder- und Mittelwaldbewirtschaftung
Bei den "Ausschlagwäldern" sind die Niederwald- und die Mittelwald-Bewirtschaftung zu unterscheiden. Beide waren in den vergangenen Jahrhunderten bei uns verbreitete traditionelle Nutzungsformen. Bei der Niederwaldbewirtschaftung werden alle Gehölze in recht kurzen Zeitintervallen (sog. "Umtriebszeiten") von etwa 25 Jahren auf den Stock gesetzt. Die Baumstümpfe sterben aber nicht ab, sondern treiben mit Stockausschlägen wieder aus und stellen so die Regeneration des Bestandes sicher. Bäume in Niederwäldern sind daher vieltriebig (mit mehreren dünneren Stämmen aus einer Wurzel) im Gegensatz zu den uns heute vertrauten Einzelstämmen im Hochwald.

Die Mittelwaldbewirtschaftung ist eine Zwischenform von Hoch- und Niederwald. Die Strauchschicht (Unterholz) des Niederwaldbetriebs wird um eine Baumschicht ergänzt, die das Oberholz bildet. Diese oft aus Samen hervorgegangenen "Oberhölzer" bleiben über mehrere Umtriebsperioden stehen und können für die Nutzholzgewinnung starke Durchmesser erreichen.

Da die Umtriebsflächen bei beiden althergebrachten Nutzungsformen immer nur Bruchteile des Gesamtbestandes ausmachen und an wechselnden Stellen liegen, sind immer auch frisch geschlagene Flächen vorhanden, auf denen lichtliebende Pflanzen und vor allem auch Orchideen gut aussamen und gedeihen. Im modernen und dauerhaft schattigen Hochwald haben dagegen Frauenschuh & Co. kaum eine Chance und bilden allenfalls kümmerliche und sterile Pflänzchen aus, die nicht blühen und fruchten.

In den vergangenen Jahrhunderten waren Mittel- und Niederwälder häufig. Sie wurden allerdings aus wirtschaftlichen Erwägungen überwiegend in Hochwälder umgewandelt, sodass Hochwälder das heutige Waldbild bestimmen. Die typische Pflanzen- und Tierwelt der Ausschlagwälder wurde seither auf kleine und schmale Randbereiche zurückgedrängt.

Schutzmaßnahmen dringend erforderlich!
Mit der Meldung großer FFH-Gebiete in Nord- und Ost-Hessen hat die Königin der Blumen durch die FFH-Richtlinie der EU noch einmal eine neue Chance. Allerdings reicht alleine die Meldung großer Waldflächen nach Brüssel nicht aus. FFH-Managementpläne müssen künftig dafür sorgen, dass die bestandsbedrohte Orchidee vor Zugriffen geschützt wird und an ihren Waldstandorten auch eine optimale Pflege erhält. Der Arbeitskreis heimischer Orchideen (AHO Hessen e.V.) betreibt ein Fundortmonitoring in Hessen und versucht mit Pflegevorschlägen dieser faszinierenden Pflanzenart zu helfen.

Noch einen Schritt weiter will der NABU mit dem Erwerb größerer Waldflächen in den Rückzugsgebieten gehen. Denn Eigentumsflächen des Naturschutzverbandes sind frei von kommerziellen Zwängen und Nutzungsinteressen anderer Eigentümer. Hier kann der Schutz der letzten Frauenschuhbestände dauerhaft gesichert werden.

Wir wollen das hessische Naturerbe bewahren
Um dem Frauenschuh zu helfen und weitere gefährdete Arten vor dem Aussterben zu bewahren, hat sich die "NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe" zum Ziel gesetzt, Flächen zu erwerben und neue Schutzrefugien für bedrohte Arten zu schaffen. Denn noch immer ist der Ankauf der Lebens- und Fortpflanzungsstätten der beste Schutz.

Quelle : NABU


 

 


 

Zuletzt bearbeitet am Sonntag, 29. Januar 2012 09:59
back to top