Wer pachtet unsere Gemeindejagd ?

Samstag, 16. Februar 2013 15:43 geschrieben von  C. Rohde

WALDECK-FRANKENBERG. Als mein Opa noch lebte und nach dem Krieg 1945 als Flüchtling aus Ostpreußen in das Waldecker Land kam säumten an den Bachrändern Erlen und Weiden die Wasserläufe. Die Wiesen wurden durch Hecken in einzelne Parzellen geteilt, Wassertümpel inmitten von Feldern und Wiesen prägten das Landschaftsbild. Den Duft von Klatschmohn, Kornblumen und blühende Wiesen konnte man regelrecht einatmen.  Von Mais und Raps war damals kaum die Rede. Kartoffeln, Rüben, Hafer, Gerste und Weizen gaben das vorherrschende Bild ab. Kibitz, Feldlerche und Sperling sangen ihre Strophen zur Freude der Jäger. Im Juni wurden die Wiesen gemäht und so gut wie kein Kitz viel dem Balkenmähwerk bei einer Geschwindigkeit des 36 PS Treckers der um die 15 km/ h fuhr, zum Opfer.

DA WAR DIE WELT NOCH IN ORDNUNG

Nach dem Krieg löste der Geldadel den Landadel ab und Großindustrielle aus dem Ruhrgebiet pachteten  die Gemeindejagden um sich vom stressigen Alltag zu erholen und der Jagd zu frönen. In den Monaten Mai, Juni und Juli wurden die Böcke gestreckt, die von den Jagdaufsehern bestätigt wurden. Im Herbst dann wurden die Bauern zur Treibjagd geladen um die Feldgehölze, Wälder und Hecken nach Nierderwild zu durchstöbern. Unterstützt wurden die Treiber von gut ausgebildeten Vorstehhunden wie Deutsch Drahthaar oder Deutsch Kurzhaar. Am Ende des Tages wurde Strecke gelegt und man sah nicht selten 100 Hasen, 50 Rebhühner, Füchse, Schnepfen, Enten und einige Stücke Rehwild auf dem extra ausgelegten Tannenzweigen liegen. Sollte wirklich mal ein Wildschwein auf der Strecke gelegen haben, war das schon eine Sensation. Am Abend des Jagdtages wurde in einer Lokalität das sogenannte Schüsseltreiben durchgeführt. Hier durfte  man auf Kosten des Jagdpächters Essen und Trinken, so viel man wollte oder konnte. Es entstand zwischen den Pächtern, den Landwirten und den Bewohnern der Dörfer ein inniges Verhältnis und respektvoller Umgang untereinander.  Warum auch nicht, Wildschaden gab es so gut wie keinen, die Patriarchen aus dem Ruhrgebiet fühlten sich in ihren 1000 Hektar Revieren wohl. 

DIE SITUATION HEUTE

Heute, einige Jahre später sieht die Sache schon anders aus. Die alten Reviere wurden halbiert oder gedrittelt um höhere Pachtpreise für die Jagdreviere durchzusetzen. Die Hecken, Knicks  und Raine sind der Baumfräse zum Opfer gefallen, die Feuchtwiesen wurden drainiert, Wassertümpel zugeschüttet, Weiden und Erlen sucht man an den Bachläufen vergebens. Die Stimmen der Feldlerche und Co. sind verstummt. Die kleinen Landwirtschaftlichen Betriebe haben aufgehört zu existieren und einige wenige Agrarbetriebe haben Flächen dazugepachtet und ihre Landwirtschaft vergrößert. Das Ergebnis aus diesem Flächenwahn ohne Hecken und Tümpel, dafür aber mit Monokulturen aus Mais und Raps sind die riesigen Sauenbestände. Das beinhaltet natürlich auch enorme Wildschäden und exorbitante Kosten und Stress für den Jagdpächter. Das Anpirschen in den heckenlosen Revieren um auf Schussdistanz an die Sauen gelangen zu können, ist schier unmöglich, allein vom Hochsitz ist den schlauen Wildschweinen  nicht beizukommen. Die wenigen Hasen, die noch leben, lässt man in Ruhe, Feldhüner und Schnepfen sind längst verschwunden und die Stockenten haben sich auf die Seeen zurück gezogen. Stattdessen wurden die Jagdsteuern erhöht und die Pachtpreise angezogen, Jagd und Jäger negativ durch die Presseabteilungen weitergereicht und die Pächter mit horrenden Wildschadensforderungen konfrontiert. Nicht selten trafen sich die Landwirte und Pächter vor Gericht. Die Kitze wurden  dutzendfach von den schnellen Schleppern mit ihren Kreiselmähwerken bereits im Mai ausgemäht.  Die Landwirte informieren oft auch nicht mehr die Pächter oder Jagdaufseher über den Zeitpunkt der Mäharbeiten. Nicht etwa, weil sie das nicht wollen, vielmehr, weil sie selbst nicht genau wissen, wann der Lohnunternehmer mit seinem schnellen Gerät kommt um die Wiesen zu mähen. Dem Wild, dem Pächter und dem Landwirt bleibt nur das Nachsehen und jede Menge Wut. Dem Pächter, weil er Wild verliert, dem Landwirt, weil Leichengifte, die in das Silo gelangen die Kühe krank macht. Das Einzäunen der Maisäcker ist eine weitere Tortour für die Jäger, sie kaufen kilometerlange Zaunanlagen und die dazugehörigen Stromagregate. Diese müssen nicht nur installiert und kontrolliert werden, die Pflege der Zaunanlagen nimmt so viel Zeit in Anspruch, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Wildschaden steht. Und wenn man Pech hat, wurde von einem Spaziergänger der Strom ausgeschaltet und die Sauen haben in einer Nacht -und Nebelaktion die Mühen der letzten Monate zunichte gemacht und dem Maisfeld einen Besuch abgestattet. 

DIE JAGD HEUTE

Aus den gemütlichen Gesellschaftsjagden die mit jagdlichem Brauchtum garniert waren, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Stress ist angesagt. Täglich schrillt das Telefon eines Landwirts: " Die Sauen waren wieder da und haben die Wiese umgedreht " oder " Am hellen Tag laufen die Sauen über meine Felder, ihr müsst auch mal welche Schiessen "  oder "Jetzt waren die Sauen auch in meinem Maisschlag, das wird teuer". Gleich nach dem ersten Grünlandschnitt wird die übelriechende Gülle auf das Land verbracht. In diesen Bereichen ist an Jagd gar nicht zu denken. Bei Vollmond sitzen Jagdgäste, Aufseher und Pächter die ganze Nacht in den Kanzeln um der Plage Herr zu werden - vergeblich -  die Sauenbestände steigen weiter an. Allein in Waldeck-Frankenberg wurden im letzten Jagdjahr fast 7000 Sauen erlegt - Tendenz steigend. Bei den revierübergreifenden Saudrückjagden und Maisjagden  werden immer mehr Jagd -und Wildunfälle gemeldet. Reihenweise müssen verletze Hunde dem Tierarzt übergeben werden, der versucht die armen Geschöpfe wieder zusammen zu flicken. Die Kosten trägt in der Regel der Pächter.

WOHIN MIT DEM WILDBRET

Die enormen Fleischberge aus der Bejagung von Reh -und Schwarzwild  finden nur sehr schwer Abnehmer. In der Regel sind das Privatleute, die zwar  regelmäßig aber nicht übermäßig Wild abkaufen. Die Wildhändler nutzen natürlich die Situation von Angebot und Nachfrage aus und bieten zwischen 50 Cent  und 1,-€  für das Kilo. Die Kosten für die Trichinenbeschau trägt der Jagdpächter ebenfalls. Auch muss er den neuen Hygieneverordnungen Rechnung tragen.

 

 WINDPARKS

Neuerdings haben sich riesige - fast 200 Meter hohe -  Windräder in den Jagdrevieren  zur Naturstromerzeugung etabliert. Zu Recht fragt sich da der Jäger was das noch mit Natur und Ruhe zu tun haben soll, wenn das monotone Rauschen der Windflügel einen unangenehmen Druck auf die Ohrmuscheln erzeugt ? Ansitzeinrichtungen in unmittelbarer Nähe können nicht aufgestellt werden, da im Herbst und Winter gefährliche Eisgeschosse, die von den Rotorblättern abfallen durch die Luft fliegen und der Jäger nun selbst mit gefährlichen Eiszapfen beschossen wird. Das Fallwild vom Rotmilan bis zum Kranich und Uhu muss der Jäger auch entsorgen. 

 

DAS RESULTAT

Das Resultat ist nüchtern betrachtet sowohl für die Jagdpächter ein Desaster als auch für die Landwirte und Jagdgenossen. Die Reviere werden nur noch sehr schlecht verpachtet. Und wenn doch, sichert sich der Pächter durch sogenannte Wildschadenauschalen ab. Darüber hinaus werden derzeit die Reviere für  schmales Geld verpachtet. Auch an der Jagdsteuer beteiligen die Pächter die Jagdgenossenschaften. Frei nach dem Motto: "Geteiltes Leid ist halbes Leid " gehen die Jagdreviere zum halben Preis über den Ladentisch. Manche Reviere wurden erst nach zwei oder drei Jahren verpachtet. Pachtpreise von 6-10 Euro/Ha  sind in aller Munde. Mittlerweile stehen die Landwirte und Jagdgenossen mit dem Rücken zur Wand. Sie müssen nämlich dafür sorgen, dass der Abschussplan, der von der Behörde vorgegeben wird auch umgesetzt wird. Kommen die Jagdgenossen dem nicht nach, ist die zuständige Behörde befugt, Berufsjäger oder das Forstamt mit der Umsetzung zu beauftragen. Ein Spass der sehr teuer werden kann. Die Wildschadensituation bleibt davon jedoch unberührt, die Jagdgenossenschaften müssen den Landwirten den Wildschaden bezahlen.

 

WO SIND DIE PÄCHTER GEBLIEBEN ?

Der Geldadel hat sich längst umorientiert, die Pächter von Gestern haben sich in den ehemaligen Reichsgebieten im Osten nach dem Mauerfall eingekauft. Auch Ungarn, Slowenien, Rumänien und Litauen stehen ganz hoch im Kurs der ehemaligen Pächter. Auch das internationale Jagdreisegeschäft läuft auf Hochtouren. Mal eben nach Russland zur Auerhahn -und Birkhahnjagd fliegen für 1500€ oder auf Elch nach Schweden oder Finnland  für schmales Geld reisen. Ohne Stress dem Alltag entfliehen. Wer unbedingt schiessen möchte hat heute in den sogenannten Jagdkinos die möglichkeit in 3 D Simulationen  einen Hirsch zu strecken, den er in Natur 10 Jahre lang hegen, füttern und Pflegen musste um ihn an die Wand zu hängen. Wenn er 24-Ender nicht vorher von einem Auto überfahren wurde und im Straßengraben verludert ist.

 

WIE SIEHT DIE ZUKUNFT AUS ?

Man könnte es mit einem Wort beschreiben: Düster. Das wäre aber zu einfach und deshalb gibt es bereits jetzt schon Ansätze von Fachleuten, die sich auf die Sauenbejagung spezialisiert haben. Die alten Methoden der Sauenbejagung vom Hochsitz an den Kirrungen und in den Feldern gehören  der Vergangenheit an.  Der Sauenspezialist  und Jäger der neuen Genaration wartet nicht stupide in den Kanzeln ab sondern holt sich die die Schweine in den Feldern und Maisschlägen. Diesen Spezialisten entgeht kein Stück Schwarzwild. Die adulten Stücke werden geschont und die nicht führenden Bachen, Überläufer und Frischlinge werden erlegt. Für die Wildbretabnahme ist auch gesorgt, diese speziellen Sauenjäger haben Kontrakte mit der Tierfutterindustrie geschlossen und führen die geschossenen Stücke diesen Unternehmen zu. Ganz hygienisch essen die lieben Vierbeiner in Zukunft das, was die Menschen verschmähen. Bezahlt werden diese Jagdspezialisten von der Jagdgenossenschaft und/oder dem Pächter. Frei nach dem Motto: " Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch " wird der Saujäger nach Stückzahlen vergütet. Diese Geisterjäger haben eine 99% Trefferquote und verschwinden ganau so schnell, wie sie gekommen sind. Das Problem dabei: Es gibt zuwenig davon. In Waldeck-Frankenberg sind lediglich 2 Personen bekannt, die diese Jagdart nachweislich beherrschen.

Es bleibt also spannend...

 

 

 

 

 

 

Zuletzt bearbeitet am Sonntag, 17. Februar 2013 15:29

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